1403 FastEndZeit (Teil 25):


Flucht vor Deinem Antlitz


Er aber schleuderte einen großen Wind aufs Meer, ein großer Sturm ward auf dem Meer, daß das Schiff zu zerbrechen meinte.[1]

Ich schiffte mich also ein. Es hatte sich alles wohl getroffen, denn gerade als ich an der Küste anlangte, entdeckte ich ein Schiff, einen prachtvollen Dreimaster, der den Anschein erweckte, dass er sich weder Sturm noch Angreifer beugen musste. Ein stolzes Schiff, perfekt für seine Aufgabe Menschen und Ladungen sicher und bequem über die ewig sich erneuernden Wellen des Ozeans zu tragen, von einem Hafen zum anderen, unter dem sorgsamen und wachsamen Auge des erfahrenen Kapitäns, der niemals den Überblick verlor und immer alles fest im Griff hatte. Dieses Schiff war gerade im Begriff auszulaufen. Gerade im letzten Moment erreichte ich es. Man erklärte sich bereit mich noch aufzunehmen, denn zufällig war noch eine Kabine frei. Ich fühlte mich wie ein Hase, der einen letzten Haken vor dem Verfolger geschlagen hatte, der diesen endgültig verwirrte und dazu veranlasste von seinem Mord- und Freßvorhaben abzulassen. Ich war überzeugt davon, ich hatte Dich überlistet, Dich, der Du mich zu diesem absurden Auftrag beriefst, der keinen Lohn für mich bedeutete, sondern nur Belastung. Aber ich war geflohen, vor Deinem Antlitz. Frohgemut bezog ich meine Kabine, und wenige Minuten später befanden wir uns bereits auf offener See. Sonnenschein lag in der Luft, so dass ich mich an Deck begab um die Wärme zu genießen. Der Bug des Schiffes zerschnitt lautlos und majestätisch die ruhige See. Wie gebügelt schien das Wasser, dachte ich mir noch, als ich mich hinzuzufügen genötigt sah, dass wohl die erste Büglerin ihren Dienst beendet und eine zweite ihren Dienst aufgenommen hatte. Doch diese zweite zeigte weit weniger Sorgfalt als die erste, wie ich betrübt feststellte, denn das Wasser bekam immer mehr Knickerfalten. Jetzt hat sie wohl aufgegeben und alles einfach zerknüllt in eine Ecke geworfen. Ein Sturm setzte ein, wie aus dem Nichts. Der wolkenlose, blaue Himmel hatte sich in kürzester Zeit mit dunkelgrauen, tiefhängenden Wolken überzogen. Nicht der kleinste Sonnenstrahl war mehr zu sehen, so undurchdringlich war diese Wolkendecke. Und ebenso unverhofft und plötzlich öffnete der Himmel seine Schleusen, so dass der Regen wie ein Sturzbach herniederfiel. Dazu kam noch ein heftiger Sturm, der uns unablässig umbrauste. Das Schiff, das so stolz und unbezwingbar auf mich gewirkt hatte, wurde von den immer mehr sich türmenden Wellen herumgeschleudert wie eine Streichholzschachtel. Längst waren die Segel eingezogen, doch die Naturgewalten setzten das Schiff in arge Bedrängnis. Dem hatten wir nichts entgegen zu setzen. Die Menschen flehten zum Himmel, flehten zu dem, der sie aus der Namenlosigkeit geführt hatte, dass er sie und ihr Leben rettete. Ich hörte sie rufen und flehen, gepeinigt von Todesangst. Ich trug die Verantwortung. Wegen mir war dieser Sturm. Und so konnte ich diese Menschen retten. Hättest Du mir doch Zeit gegeben, zu reifen, vierzig Tage Zeit, doch Du setztest es einfach voraus. Vielleicht wusstest Du einfach mehr von mir als ich selbst. So sprach ich, sie sollten mich über Bord werfen, dass die Not ein Ende hätte, denn ich wusste, dass ich es war, der sie retten konnte. Und sie warfen mich ins Meer. Erst als ich untergegangen war, glätteten sich die Wellten, der Himmel erstrahlte wieder in Blau, und ich, ich überließ mich dem Untergang. Vielleicht hätte ich ihn doch annehmen sollen, diesen Auftrag, aber woher hätte ich denn wissen sollen, dass ich deshalb sterben müsste.


[1] Jona 1,4. Aus: Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig. Gerlingen: Schneider, 1997.

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