1303 FastEndZeit (Teil 24):


Der Auftrag


Seine Rede geschah zu Jona Sohn Amitajs, es sprach: Steh auf, wandre nach Ninive, der großen Stadt, und rufe über ihr aus, daß ihre Bosheit vor mein Antlitz herübergezogen ist. Jona stand auf, nach Tarschisch zu flüchten, von Seinem Antlitz fort.[1]

Ich fliehe vor Dir. Was gibt es für mich zu gewinnen? Was habe ich davon, wenn ich mich weiterhin einlasse, wenn ich Deinen Auftrag erfülle? Was habe ich davon? Nichts als Spott und Hohn. Für Dich darf ich den Kopf hinhalten, und Du selbst bist weit weg. Entziehst Dich vor dem Faktischen. Nichts weiter gibst Du mir als einen Auftrag. Was dann? Dann lehnst Du selbst Dich zurück, und ich soll machen. Ich finde es nicht fair. Was hast Du für mich getan? Du hast mich mit Deinem Ruf zu mir selbst berufen, hast mich in die Namenlosigkeit geführt, Du, und die Menschen, die mir in Wahrheit und Offenheit begegneten. Du führtest sie mir zu. Und weiter? War da noch etwas, das rechtfertigt, dass Du mich jetzt so mir nichts Dir nichts nach Ninive schickst und dann soll ich den Menschen auch noch sagen, dass sie böse sind. Da werden die aber so schön schauen. Wahrscheinlich werden sie mich sofort erschlagen und meine Kadaver den Hyänen und Schakalen zum Fraß vorwerfen. Du bist dabei nicht in Gefahr. Vielleicht ist dann ein anderer, den Du auch schickst, mit dem selben Auftrag, und wenn es diesem genauso ergeht wie mir, dann schickst Du den nächsten und immer so weiter. Du leidest ja keinen Mangel. Aber mir ist mein Leben wert. Die andere Möglichkeit wäre, dass ich denen in Ninive sage, dass sie Böses tun und ihre Stadt deshalb vernichtet werden soll, und sie besinnen sich, so dass sie sich bekehren und das Böse fürderhin lassen und das Gute tun. Was wird dann passieren? Dann wirst Du die Stadt nicht vernichten, und ich stehe erst blöd da. Wie ich es auch drehe und wende, Dein Auftrag ist mein Untergang. Entweder in Form meines Lebens oder meiner Reputation. Ich fliehe, weg von Deinem Antlitz, weil ich beides nicht will. Du findest mich, ganz gleich, was ich tue. Aber was dann? Wenn ich mich aufs nächstbeste Schiff begebe, wirst Du dann einen Sturm schicken, der erst aufhört, wenn mich die Besatzung ins Meer wirft? Und dann, wird mich ein Wal verschlucken? Was für ein absurder Gedanke. Ich fliehe vor Deinem Antlitz, das mich so herausfordert. Kann sein, dass ich Dir nicht entkommen kann, aber ich muss es zumindest versuchen. Und dann fange ich irgendwo anders, weitab von Dir ein ganz neues Leben an. Ganz gleich was ich mache, und wenn es das Abkratzen des Kotes von den Straßen ist. Alles besser als das. Aber was soll das überhaupt? Du erteilst mir einen Auftrag, ohne mich zu fragen, einfach so, und ich soll ihn befolgen. Und dabei dachte ich, dass Du es gut meintest, als Du mich beriefst, aus der Namenlosigkeit in die Namhaftigkeit, dass Du mir wohlgesonnen warst, aber dabei schien es nichts weiter als die Vorbereitung auf diese Unvermeidlichkeit hier zu sein. Wie dumm ich doch gewesen bin, wie leichtgläubig und naiv. Ich hatte keine Hintergedanken, aber offenbar Du. Eigentlich kann ich es immer noch nicht richtig glauben, dass es so ist, dass Du mich so gebrauchst. Warum gehst Du nicht selbst nach Ninive und tust was immer Dir gefällt? Nein, mich musstest Du dafür ausersehen. Dabei hätte ich noch so viel anderes zu tun. Stattdessen erteilst Du mir einen Auftrag, quasi aus heiterem Himmel, und meinst, dass ich einfach alles liegen und stehen lasse und das mache. Aber da hast Du Dich geschnitten. Ich werde fliehen und mich verstecken, vor Dir und Deinem Auftrag. Und dann werden wir ja sehen was passiert. Aber schließlich bin ich ja nicht Dein Eigentum, mit dem Du schalten und walten kannst wie Du willst. Ich bin ein freier Mensch mit einem freien Willen. Das hast Du selbst gesagt. Ja, betont hast Du es noch, und dann das. Ich fliehe, hinaus aufs Meer, weg aus Deinem Antlitz.


[1] Jona 1,1-3a. Aus: Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig. Gerlingen: Schneider, 1997.

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