Zorn
Das erboste Jona,
einer großen Erbosung, es entflammte ihn, er betete zu Ihm, er sprach:
Ach, Du! war nicht dies meine Rede gewesen,
als ich noch auf meinem Boden war? deswegen wollte ich zuvorkommen, nach
Tarschisch zu flüchten! Ich wusste ja, dass du eine gönnende und erbarmende
Gottheit bist, langmütig, reich an Huld und leid wird’s dir des Bösgeschicks.[1]
Ich erboste, ja, das tat ich, weil ich mich leid sah. Elend
und Verderben hätte über Ninive kommen sollen. So hattest Du es gesagt, doch
dann machtest Du einen Rückzieher. Natürlich machtest Du das, denn das Du, das
abfällt in die vorangegangene Namenlosigkeit, das sich abwendet und flieht, in
die dingliche Welt, in eine Welt der Geschäftigkeit, die keinen Blick für den
anderen kennt und kein Wort außer Befehl und Unterordnung, den fordertest Du zu
sich selbst heraus, indem Du ihn durch mich erinnertest. Und da er aufsah. Sein
Treiben, in das er sich verlor bei Seite schob und verstand, kehrte er zurück
in die Namhaftigkeit, schenkte er sich selbst die Möglichkeit zurück zu hören.
Nichts weiter ist nötig als aufzublicken zu dem fernen Horizont, der das Leben
bedeutet, und die Sonne ward hell und klar wieder, und die Menschen freundlich
und zuversichtlich. Ja, Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen schenkt es, das
Wort, das nochmals ergeht, und das die Möglichkeit schafft umzukehren,
herauszufinden aus dem Bisherigen in ein Neues. Nicht nur, dass Du ihnen diese
Chance eröffnetest, Du gabst ihnen auch die nötige Zeit zu begreifen. Vierzig
Tage zu reifen, sich zu prüfen, sich zu erziehen, und wahrhaftig, sie nutzten
diese Zeit und fanden zurück zur Annahme, so dass es weit über die Stadt
erscholl. Ein Herold hätte nicht solche Wirkung getan, nicht ein Beben, nicht
ein Sturm, nicht ein Feuer, aber Deine Stimme, die vorüberzog im verschwebenden
Schweigen, umwehend, umfassend, leicht und warm und belebend, das genügte, dass
die Menschen aufsahen und sich bekehrten. Ich war nichts weiter als Dein
Handlanger, Dein Vasall, Dein Diener, der doch nichts tat. Sie hörten mir zu.
Ich entfernte die Verkrustungen und verlebten Züge aus ihrem Antlitz. Sie
ließen ab von Frevel und Bosheit, doch letztlich war nicht ich es. Du hast es
getan, so wie Du alles tust. Und jetzt, jetzt sind sie wieder auf dem Pfad des
Miteinander. Wozu hast Du mich zu solchem Dienst geholt, wenn es doch nicht
mehr war als ein Ablenkungsmanöver? Warum hast Du mich in solche Schmach
gezerrt? Für die Menschen in der Stadt warst Du bereit, doch für mich nicht. Du
hast mich schändlich im Stich gelassen und nur noch ihnen zugewendet. So ist
die Stadt verschont geblieben, aber für meinen Untergang hast Du gesorgt. Ich
habe alles hinter mir gelassen, nur dass ich jetzt fliehen muss, weil es mich
nicht duldet in dieser Stadt der Umkehr. Warum hast Du mich nicht belassen
können in meinem eigenen Leben? Warum hast Du Dir nicht irgendeinen anderen
ausgesucht, der sich darin geschickt hätte, irgendeinen Idioten, der bloß die
Schultern zucken hätte lassen und den Staub von seinen Füßen abklopfte, wenn er
gegangen wäre? Warum war ich das Ziel Deiner Demütigung, dass ich die Schmach
jetzt trage, eine Schmach, wie Kain sein Mal, dass es jeder sehen möge, so dass
ich keine andere Wahl habe als hier in der Wüste, in der Einsamkeit zu
verbleiben? Aber immer noch lässt Du mich nicht in Ruhe mit Deinen Spielchen,
schenkst mir eine Staude, die mir Schatten spendet, lässt sie wachsen, bloß um
sie wieder verdorren zu lassen, dass ich verschmachtend verderbe, hier am Grund
meines Elends, und Du hast vielleicht noch Freude daran. Ich dachte, mein Name
sei Dir bekannt und nahmst mich an, als in Deinem Namen, aber nichts von alle
dem. Einsam und verlassen werde ich hier elend vergehen, wie die Staude, und
wie es Ninive gebührt hätte.
[1] Jona 4,1f. Aus: Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam
mit Franz Rosenzweig. Gerlingen: Schneider, 1997.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen