Neubeginn
Es ist so unbegreiflich wie das Leben selbst. Es ist so
unfassbar wie das Wort selbst. Doch es ward, und es ward bezeugt, durch die,
die nach wie vor nicht von Seiner Seite wichen, die sich nicht fortschicken
ließen, nicht von Ihm und nicht von ihrer eigenen Angst. Die Frauen, die zum
Grab kamen, dass sie Ihm zumindest im Tode noch nahe waren. Etwas war
geschehen. Nicht nur das Abwegige und Absurde des Todes, das zur Finsternis
führte, mitten am Tag, das den Vorhang zerriss und alles was war in
Bedeutungslosigkeit zu stürzen drohte, es war ein Mehr, das sie nicht zu
benennen wussten. Inmitten der Ausweglosigkeit ward eine Ahnung eines
Neubeginns. Sie hätten nicht zu sagen gewusst, wie dieser aussehen könnte,
hätten nicht mehr sagen können, als dass sie sich anvertrauten. Dort, wo alle
anderen meinten, es gäbe nichts mehr, was es zu hoffen gäbe, selbst da noch,
vermochten sie sich anheimzugeben, und wahrlich, es ward ein neuer Morgen,
heller und strahlender als jeder andere Morgen, den sie je erlebt hatten. Sie
gingen zum Grab, wohl noch gedrückt, doch schon beseelt von dieser Vorahnung.
Schließlich hatte Er es ihnen zugesagt, hatte ihnen gesagt, dass Er wiederkäme.
Doch wie sollte Er das machen, mussten sie sich anhören. Und sie sagten, trotz
besseren Wissens, wobei es doch um nichts weiter ging als das beschränkte
menschliche Wissen, trotz aller Erfahrung und allem bisher Erlebten, wobei
alles Erfahren und Erleben menschlich eingeschränkt ist, trotz allem, sagten
sie, es werde so sein. Unverbrüchlich blieben sie dabei. Unerschütterlich war
ihre Liebe und damit das Zutrauen zu Seinem Wort. Nein, Er hatte sie nicht
enttäuscht und Er würde sie nicht enttäuschen, so dass Er es wahr werden lassen
würde. Nachdem Er den Tod hinter sich gelassen hatte, der doch erst der Anfang
war, nachdem Er in die absolute Finsternis verwoben war, die doch noch nicht
das Schlimmste war, nachdem Er die absolute Verlassenheit, den umfassendsten
Schmerz durch die Abwesenheit des Wortes selbst durchlitten hatte, nach all dem
hatte Er sich neu aufgerichtet, verwandelt, und doch in sich bleibend,
verändert, und doch als Er Liebe und Wort seiend. Nichts konnte Sein innerstes
Wesen verändern. Er war, Er war es noch immer, auch nach dieser ewigen Nacht
der Verlassenheit, die Er betreten und wieder verlassen hatte, um es möglich zu
machen, dass niemand mehr diese absolute Nacht zu erdulden hatte, nicht jetzt
und niemals wieder. Und als die Frauen an das Grab traten, da war es leer, und
auch wenn sie menschlich dachten, dass es doch jemand gegeben haben musste, der
Ihn weggebracht hatte, so war es doch ein Etwas in ihnen, das sie um die wahre
Bedeutung wissen ließ. Und in dem Moment, da sie verstanden, da klarte der
Himmel völlig auf, da trat die Sonne mit nie geahnter Kraft hervor, erfüllte
die Welt mit Licht und Wärme, da Er selbst es war, der zu ihnen trat und sich
zu erkennen gab. So wie Er es ihnen zugesagt hatte, so ward es, und eine nie
gekannte Freude erfüllte sie, eine Freude, die tanzen und jubeln und singen
lässt, die sich ausbreitet und verdichtet und einen zwingt sie weiter zu
tragen, auch zu denen, die kleingläubig und verschreckt in ihrer Ecke sitzen.
Selbst sie werden nicht alleine gelassen, denn Er wusste um ihre Kleingläubigkeit
um die Enge ihres Herzens, doch Er nahm sie trotzdem ein in die Freude und in
das Wiedersehen. Ein neuer Morgen ward und ein neues Leben – und nie wieder
würde es anders sein, nie wieder das Erleben sie verlassen, denn selbst der Tod
ward keine Grenze mehr, und das Leben umfasste das Nichts und die Abwesenheit
und die Verlorenheit. Alles ward eingenommen, so dass nichts mehr blieb, das
die Liebe nicht nochmals umspannte, so dass die Absolutheit wegfiel, außer der
der Liebe, die war und ist und sein wird, immerdar, bis zur Vollendung in
Ewigkeit. An jenem neuen, strahlenden Morgen Seiner Auferstehung durften es die
Menschen erfahren.
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