0504 EndZeit (Teil 7):


Die Verworfenheit


Inmitten der Finsternis erwartet Er die Gnade des Zerschellens, aber inmitten der sich immer wieder aufs Neue selbst verschlingenden, und alles in sie gefallene mit ihr, Finsternis gibt es weder Gnade noch Verstehen. Es ist die allumfassende Gleichgültigkeit, und doch ist es noch nicht die Absolutheit, denn erst, wenn sich das Wort daraus zurückzieht, das Wort, das schaffend, werdend webt, das Wort, das allumfassend, selbst diese tiefste Finsternis nochmals umschließt und verändert, wenn dieses Wort sich zurückzieht, dann geschieht die absolute Verlassenheit. War die absolute Finsternis, ein Raubtier, das alles gleichgültig und einheitlich verwirft, so ist es doch nochmals gewahrt im Wort. Doch auch das Wort zieht sich zurück. Die völlige Finsternis kann nur noch gesteigert werden durch die völlige Verlassenheit. Es gibt keinen Namen mehr in Ihm und kein Wort, das irgendetwas benennen könnte, kein Wort, das wäre. Es gibt die Finsternis und die Verlassenheit in ihr. Das Kreuz war nur der Anfang, und das Kreuz war gnädig, denn es verhüllte das Leid, indem es diesem ein Ende setzte, doch in der absoluten Finsternis, aus der sich die Wirkmächtigkeit des Wortes zurückzog, ersteht nichts mehr, kann nichts mehr erstehen, da ist nur mehr die Absolutheit der Nacht, die keinen neuen Morgen kennt, des Entsetzens, das keinen Schrei mehr findet, der es begreifbar machte, des Schmerzes, der nicht mehr endet. Die absolute Nacht ist in sich die Absolutheit der Abgewandtheit und der Verlassenheit. Es ist nicht nur die Abwesenheit von irgend jemand anderen, sondern selbst die Abwesenheit der Abwesenheit. Es gibt kein Entrinnen, weil es keine Sprache darin gibt, weil es kein Denken darin gibt, weil das Grauen die Sprache und das Denken hinwegfegt, unerreichbar. Er, der dem Wort am nächsten war, der das Wort selbst war, Er ist nun dem Wort entfremdet. „Vater, warum hast Du mich verlassen?“, hat Er gesagt, doch da wusste er noch nichts von dieser Verlassenheit, die nicht einmal um sich selbst weiß. Zeit und Raum hören auf die existieren. Es gibt keine Maßstäbe außer der Absolutheit. Eine Ewigkeit der Verlassenheit. Eine Unendlichkeit der Verlassenheit. Und das Wort, das sich zurückzog, leidet wie der Verlassene, doch Er hat es zugelassen, dass Er sich abwendet von sich selbst, aus sich selbst, um den Weg zu gehen, der notwendig ist, dass ihn niemand anderer mehr gehen muss. Es ist die weiteste Ferne, der umfassendste Verlust, und es ward in alle Ewigkeit. Niemals ist jemand entkommen, niemals entronnen, niemals jemand Zerschellt, doch inmitten dieses Verschlingens, das fortdauert und fortdauert und fortdauert, bahnt sich etwas an, beginnt ein Geschehen, das so unbegreiflich und unbenennbar ist, wie das Wort, das es wirkte. Langsam, ganz langsam wie es geschah, begann sich die Finsternis zurückzuziehen, zuerst zu entwirren, so dass die Tragfähigkeit nachließ und Er zu sinken begann, sacht, verhalten. Dort, wo der Schmerz bis zur Neige ausgekostet ward, wo das Leid seinen Höhepunkt erreichte, dort beginnt sich der zu regen, der selbst dann noch ein Regen für lohnenswert hält. Es gibt kein Wort und keinen Gedanken und kein Bild und keine Erinnerung, aber eine vage Ahnung, ein kleines fast Nichts, das doch kein Nichts mehr ist, sondern porös wird, durchlässig für das Sein, das sich sanft darum windet, ganz klein. In der Endlosigkeit tritt ein Ende auf, und als Er den Boden des Abgrundes erreicht, da ist es kein Zerschellen, sondern ein Zuliegenkommen, und die Finsternis zieht sich zurück, wird durchscheinender, und das Wort kommt wieder, umfasst das Nichts mit einem Wesen, gestaltet es um, und Er richtet sich auf, lässt die Absolutheit der Verlorenheit hinter sich, in einen neuen Morgen.

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