Die Verworfenheit
Inmitten der Finsternis erwartet Er die Gnade des
Zerschellens, aber inmitten der sich immer wieder aufs Neue selbst
verschlingenden, und alles in sie gefallene mit ihr, Finsternis gibt es weder
Gnade noch Verstehen. Es ist die allumfassende Gleichgültigkeit, und doch ist
es noch nicht die Absolutheit, denn erst, wenn sich das Wort daraus
zurückzieht, das Wort, das schaffend, werdend webt, das Wort, das allumfassend,
selbst diese tiefste Finsternis nochmals umschließt und verändert, wenn dieses
Wort sich zurückzieht, dann geschieht die absolute Verlassenheit. War die
absolute Finsternis, ein Raubtier, das alles gleichgültig und einheitlich
verwirft, so ist es doch nochmals gewahrt im Wort. Doch auch das Wort zieht
sich zurück. Die völlige Finsternis kann nur noch gesteigert werden durch die
völlige Verlassenheit. Es gibt keinen Namen mehr in Ihm und kein Wort, das
irgendetwas benennen könnte, kein Wort, das wäre. Es gibt die Finsternis und
die Verlassenheit in ihr. Das Kreuz war nur der Anfang, und das Kreuz war
gnädig, denn es verhüllte das Leid, indem es diesem ein Ende setzte, doch in
der absoluten Finsternis, aus der sich die Wirkmächtigkeit des Wortes
zurückzog, ersteht nichts mehr, kann nichts mehr erstehen, da ist nur mehr die
Absolutheit der Nacht, die keinen neuen Morgen kennt, des Entsetzens, das
keinen Schrei mehr findet, der es begreifbar machte, des Schmerzes, der nicht
mehr endet. Die absolute Nacht ist in sich die Absolutheit der Abgewandtheit
und der Verlassenheit. Es ist nicht nur die Abwesenheit von irgend jemand
anderen, sondern selbst die Abwesenheit der Abwesenheit. Es gibt kein
Entrinnen, weil es keine Sprache darin gibt, weil es kein Denken darin gibt,
weil das Grauen die Sprache und das Denken hinwegfegt, unerreichbar. Er, der
dem Wort am nächsten war, der das Wort selbst war, Er ist nun dem Wort
entfremdet. „Vater, warum hast Du mich verlassen?“, hat Er gesagt, doch da
wusste er noch nichts von dieser Verlassenheit, die nicht einmal um sich selbst
weiß. Zeit und Raum hören auf die existieren. Es gibt keine Maßstäbe außer der
Absolutheit. Eine Ewigkeit der Verlassenheit. Eine Unendlichkeit der
Verlassenheit. Und das Wort, das sich zurückzog, leidet wie der Verlassene,
doch Er hat es zugelassen, dass Er sich abwendet von sich selbst, aus sich
selbst, um den Weg zu gehen, der notwendig ist, dass ihn niemand anderer mehr
gehen muss. Es ist die weiteste Ferne, der umfassendste Verlust, und es ward in
alle Ewigkeit. Niemals ist jemand entkommen, niemals entronnen, niemals jemand
Zerschellt, doch inmitten dieses Verschlingens, das fortdauert und fortdauert
und fortdauert, bahnt sich etwas an, beginnt ein Geschehen, das so
unbegreiflich und unbenennbar ist, wie das Wort, das es wirkte. Langsam, ganz
langsam wie es geschah, begann sich die Finsternis zurückzuziehen, zuerst zu
entwirren, so dass die Tragfähigkeit nachließ und Er zu sinken begann, sacht,
verhalten. Dort, wo der Schmerz bis zur Neige ausgekostet ward, wo das Leid
seinen Höhepunkt erreichte, dort beginnt sich der zu regen, der selbst dann
noch ein Regen für lohnenswert hält. Es gibt kein Wort und keinen Gedanken und
kein Bild und keine Erinnerung, aber eine vage Ahnung, ein kleines fast Nichts,
das doch kein Nichts mehr ist, sondern porös wird, durchlässig für das Sein,
das sich sanft darum windet, ganz klein. In der Endlosigkeit tritt ein Ende
auf, und als Er den Boden des Abgrundes erreicht, da ist es kein Zerschellen,
sondern ein Zuliegenkommen, und die Finsternis zieht sich zurück, wird
durchscheinender, und das Wort kommt wieder, umfasst das Nichts mit einem
Wesen, gestaltet es um, und Er richtet sich auf, lässt die Absolutheit der
Verlorenheit hinter sich, in einen neuen Morgen.
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