Wenn die Zeit stillsteht ...
Es gibt zwei Momente, wo die Zeit stillsteht, wo die Uhr aufhört
zu ticken und sich die Ewigkeit öffnet. In der Begegnung und in deren Verlust.
Im Begegnen, in dieser Einmaligkeit der Du-Werdung, da Du mich
aussuchst aus all den anderen. Oder habe ich Dich ausgesucht? Nein, es ist das
Leben oder das Schicksal oder einfach der Moment, da es sein soll. Wir leben
unser Leben, streben, hadern, bauen auf, verwerfen und gehen weiter, doch
unversehens heben wir den Blick, Du und ich, unversehens im gleichen Moment,
und der Blick geht ineinander, verschlingt sich, zieht hinein, Dich in mich und
mich in Dich, um nichts weiter zu sein als wir selbst, in der Zuwendung, in der
Handreichung, in der Öffnung aufeinander zu. Du, hast Du gesagt, und ich habe
es mir gemerkt. Du, hast Du gesagt, und ich wurde was Du sagtest, Dir Du. Du,
habe ich gesagt, und Du hast es Dir gemerkt. Du, habe ich gesagt, und Du
wurdest was ich sagte, mir Du. Wir schlossen auf, was sonst im Verborgenen
bleibt. Wir wurden aneinander zu dem, was wir immer schon waren, und doch noch
nie auslebten, wir wurden ganz, aneinander, und es war der Moment, in dem die
Zeit stillstand, in dem die Uhr aufhörte zu ticken. Wie weit bin ich aus mir
heraus in Dich gegangen, um doch nie näher bei mir zu sein, mich mehr zu
erfahren, als da, da ich mich Dir zu erfahren gab. Wie sehr waren meine
Gedanken von mir weg, um doch mehr beschenkt zu werden, als wenn ich mit mir
und meinen Gedanken in der Enge meiner Selbst verblieben wäre. Der Moment der
Begegnung war der Moment der Befreiung. Kopfüber stürzten wir uns ineinander,
und die Zeit blieb stehen, und die Uhr hörte auf zu ticken.
Im Verlust, da Du die Blicke entwirrtest und Dich aus mir
zurückzogst, da Du die Öffnung ungenutzt und sinnlos zurückließt, die sich in
eine klaffende Wunde verwandelte, die mich ganz entzweite, Dir und mir. Ich
hatte mich darein gegeben, und was zuvor Befreiung war, war jetzt ein Verloren-sein
in der unendlichen Weite des Nicht-Mehr. So sehr hatte ich mich Dir zugewandt,
dass Du mir unentbehrlich wurdest, warst mir Freund und Vertrauter und
Liebender und Kritiker und jetzt, war ich allein mit mir und meinem kleinen
Ich, war ich allein in der Stille der Versunkenheit und Einsamkeit, war ich
allein mit all den Möglichkeiten, die wie ein Kartenhaus in sich
zusammenfielen, weil es kein Worauf-hin mehr gab, war ich allein mit dem
einsamen, verwirrten kleinen Selbst. Nichts aufregendes, weil ich es doch schon
vorher war, nur dass Du es warst, der es mir bewußt machte, und als es war, da
Du Dich mir nahmst, da stand die Zeit still, da hörte die Uhr auf zu ticken,
und der Schmerz hörte nicht auf, während ich mit Bedacht und Anteilnahme die
Wunde offenhielt, im Moment der Ewigkeit. Ich nahm es hin, legte den Titel, Du,
ab und wurde wieder Ich, aber es war nicht möglich, wird nie mehr möglich sein
zu vergessen, nachdem ich geadelt und auserwählt ward durch das Du, da ich Dir
sein durfte, da ich Dir war, da ich Dir bin.
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