Wenn es wirklich drauf ankommt
Es war ein klarer, und deshalb wohl auch kalter Herbsttag. Ich kann nicht mehr sagen ob die Sonne schien oder nicht, ja nicht einmal ob es regnete, obwohl ich da draußen auf der Bank saß. Es war mir alles egal, in dem Moment. Ich spürte weder Kälte noch Regen, so er denn da war. Du sagtest späterhin, dass die Sonne geschienen hatte. Ja, Dir hatte sie vielleicht geschienen, aber so wie ich mich fühlte konnte mir die Sonne nicht scheinen, ganz gleich ob sie jetzt schien oder nicht. Allen anderen vielleicht, aber nicht mir. Du hast es verstanden. Du hast es immer verstanden, aber in dem Moment, in dem ich da auf der Bank saß, ganz allein und verlassen mit meinem Elend, da wusste ich noch nichts von Dir und Deinem Verstehen, Deinem Verständnis. Viele Monate Arbeit hatte ich in ein Projekt gesetzt, das nun doch nicht aufzugehen schien. Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass meine Existenz daran hing. Vielleicht war es auch einfach ein Moment der Erschöpfung, einer solch tiefen Erschöpfung, dass die Gedanken nicht über die eigene Nasenspitze hinausgehen, wenn sie überhaupt so weit kommen. Vielleicht war auch reges Leben in dem Park, in dem die Bank stand, auf der ich saß, aber ich fühlte mich einsam und verlassen, weil mir meine eigenen Sorgen und Probleme den Blick verstellten, auch auf mich selbst und meine Möglichkeiten. Wie viel mehr noch auf die Menschen um mich. Kann auch sein, dass ich sie einfach nicht sehen wollte, die mit ihrer guten Laune und ihrer Freude über die Sonne und das Leben und das schreckliche Glück, das sie marktschreierisch vor sich hertragen. Es war wie ein Affront, dem ich mich ausgesetzt sah.
„Manchmal, da gibt es
solche Tage, da weiß man einfach nicht mehr weiter“, hörte ich plötzlich eine
Stimme neben mir. Mühsam hantelte ich mich heraus aus meinem Gedankensumpf, um
zu sehen wer es wagte mich aus meinem Elend aufzuscheuchen. Mein Blick fiel in
ernste graue Augen, und ich sah sofort, dass Du nicht darauf aus warst Dich an
meinem Unglück zu weiden. Irgendetwas sagte mir, dass du es ernst meintest, was
auch immer das heißen mochte.
„Was weißt Du denn schon
davon?“, fragte ich dennoch, etwas giftig, aber nicht zu sehr. Möglich, dass
ich Dein Ernst-meinen erst mal testen wollte, indem ich ein wenig zubiss, aber
Du ließt Dich nicht beirren.
„Ich weiß sehr viel davon.
Was meinst Du wo ich meine grauen Haare her habe?“, fragtest Du, und ja, es
stimmte. Deine Augen wirkten jung. Das lag wohl an der Zuversicht, die sie
ausstrahlten.
Und dann erzählte ich Dir,
von allem was meine Seele belastete, einfach so. Ich wusste nicht wer Du warst,
was Du warst, nichts wusste ich. Dennoch breitete ich mein ganzes Elend vor Dir
aus, als wärest Du mein ältester Freund. Du tatest nichts, nichts außer einfach
zuzuhören, und indem ich Dir erzählte, bekam alles eine Struktur. Es wurde
wieder übersichtlich, durchschaubar, und dann war sie da, die Lösung, einfach
so. Plötzlich hielt ich inne.
„Was hast Du gemacht?“,
fragte ich unvermittelt.
„Nichts, was Du auch nicht
selbst geschafft hättest, wenn Du Dich Dir gegenüber geöffnet hättest, wenn Du
die Kraft gehabt hättest diesen einen Schritt zurückzutreten um das Gesamte zu
sehen und nicht nur den einen kleinen Stolperstein. Durch das erzählen schrumpfte
er, und nun weißt Du wie Du ihn beseitigen kannst. Damit ist meine Aufgabe
erfüllt“, meintest Du, und ich sah Dich lächeln.
„Du bist ein Engel“,
entfuhr es mir.
„Nein, ich bin ein
normaler Mensch, auch wenn es Dir vielleicht jetzt gerade nicht so erscheinen
mag“, entgegnetest Du ruhig.
Mittlerweile hat sich
unsere Freundschaft gefestigt, und es war wohl nicht einmal, dass ich Deine
Hilfe in Anspruch nahm seither. Aber damals, da war es wirklich ein Wink des
Himmels, gerade in einem Moment, da es wirklich drauf ankam, da warst Du da,
und warst es immer seit diesem Augenblick.
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