Mein Lebensweg
Manchmal, da versuche ich mich zu orientieren, versuche zu bestimmen, wo ich mich befinde
auf meinem Weg durchs Leben. Was ist bisher geschehen? Was hat mich hierher
gebracht? Ist es möglich all die Fügungen zu bestimmen, all die Wendungen
nachzuvollziehen? Kann ich erklären warum ich diesen und nicht jenen Weg
einschlug? An manchen Stellen ist es klar. Manchmal, da gibt es nur die eine Möglichkeit.
Nicht, weil es wirklich nur eine Möglichkeit gibt, sondern weil ich aus dem
Winkel, in dem ich stand, nur diese eine Möglichkeit wahrnehmen konnte.
Natürlich gibt es immer weit mehr als das Denkbare, doch das mein Denken
Übersteigende, ist mir nicht existent, bis es mir gelingt mein Denken zu
erweitern, doch dann ist es mir nicht mehr möglich an den Punkt der einen
Möglichkeit zurückzukehren, doch zumeist ist es ganz banal so, dass ich nichts
weiter tun müßte als die Augen zu öffnen. Ich will sie nicht öffnen, weil ich
die Klarheit und Einfachheit der einen Möglichkeit verteidigen will. Aus Angst?
Aus Kleinmut? Aus Borniertheit? Oder aus bloßer Bequemlichkeit?
Ich sehe mich in einem Hotel, einem Hotel mit unzählig
vielen Stöcken, und auf jedem Stock befinden sich nur zwei Zimmer, als
Verbildlichung des Du zu Du. Mein Zimmer liegt ungefähr in der Mitte. Ich weiß
nicht warum, aber ich muss hinaus aus diesem Zimmer, das weder über einen
Balkon noch über ein Fenster, das sich öffnen läßt, verfügt. Ich muss raus,
richtige Luft atmen, doch am Lift hängt ein Schild: „Out of order.“ Das war die
eine Möglichkeit, die ich hatte, die ich sah. Was mache ich jetzt bloß? In
diesem Moment öffnet sich eine Türe und Du trittst in den Gang, um Dich sofort
in Dein Zimmer zurückzuziehen. Du interessierst mich auch gerade überhaupt
nicht, nur die Möglichkeit, die Du mir zeigtest, die Stiege. Ich lief die
Treppe hinunter, einen Stock, zwei Stöcke, als ich mich aufgehalten fand. Ein
kleines Mädchen mit angstgeweiteten Augen saß in einer Ecke und starrte mich
an. Und ich erkannte, dass ich es war. Ein Ekel ergriff mich, klebriger, zäher
Ekel, ließ mich rennen, Stufe um Stufe, Stock um Stock, egal wohin, nur weg.
Erst als ich mich ein paar Stöcke weiter sicher wähnte, wagte ich zu
verschnaufen. „Du bist zu spät!“, sprach mich unvermittelt eine Stimme an, die
zu einer Gestalt gehörte, die sich in ihrem mausgrauen Kostüm kaum von der Wand
abhob, ja alles dafür zu tun schien sich nicht abzuheben. Und wiederum erkannte
ich mich in ihr. „Wofür bin ich zu spät?“, fragte ich mich. „Für all die
Verpflichtungen, die das Leben vernünftigerweise mit sich bringt!“, kam die
automatisierte Antwort. Und wieder ergriff mich das Grauen vor der, die allen
Träumen und Sehnsüchten entsagt hatte, und nur mehr dem Erfüllungswahn
unterlag. Wieder rannte ich davon, vor dem Grauen und dem Ekel, doch diesmal
hielt ich erst inne, als die Stiege zu Ende war. Ich öffnete die Türe, die ins
Freie führte, doch nicht auf die Straße, sondern aufs Dach. Gierig sog ich die
frische Luft ein, breitete die Arme aus, in den Wind, und plötzlich wußte ich,
dass ich fliegen konnte.
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