Unter Druck
Pippi Langstrumpf, die Ikone einer Freiheit, nach der sich
viele Menschen, nicht nur Kinder sehnen, fällt mir immer wieder ein, wenn ich –
mittlerweile gelassen - mitansehe, wie
sich die Menschen selbst quälen. Gelassen, weil es mir noch sehr selten
gelungen ist jemandem verständlich zu machen, dass der Druck, unter dem er
leidet in vielen Belangen von sich selbst ausgeht und nicht von anderen.
Natürlich, es gibt ihn auch, den äußerlichen Druck. Druck, den wir in der
Arbeit haben, auch bis zu einem gewissen Grade der, den uns die Öffentlichkeit
– was auch immer man darunter versteht – auferlegt. Doch es gibt auch den
privaten Bereich, in dem wir uns dem Druck beugen, und so sehr wir auch
beteuern es zu müssen, es gibt keinen Grund dafür. Da werden Erwartungen von
Familienmitgliedern erfüllt, die diese gar nicht gestellt haben. Da werden
Normen eingehalten, die wir uns selber setzen. Dass der Rasen nicht höher als
einen Zentimeter sein darf, z. B., das ist eine Norm, die wir uns selbst
auferlegen. Vielleicht gibt es Menschen, die sich tatsächlich unwohl fühlen,
die sich auf nichts anderes mehr konzentrieren können, wenn ein Polster schräg
liegt, doch zumeist wird er nur gerichtet, weil unsere Norm heißt, er gehört
gerade gelegt. Der Druck, den wir uns selbst machen, das ist der unsere eigenen
Erwartungen zu erfüllen, auch wenn wir schon lange vergessen haben warum wir
diese Erwartungen überhaupt haben oder ob sie noch ihren Sinn erfüllen.
Jederzeit dafür gerüstet zu sein, dass die Schwiegermutter unerwartet zu Besuch
kommt und mit Glacéhandschuhen über den Türrahmen streift ohne dass das
makellose Weiß derselben verunstaltet wird, dass ist eine Erwartung, die wir
uns selbst auferlegen. Dass die Kinder jeden Abend um Punkt acht Uhr im Bett
sind, keine fünf Minuten früher oder später, dass ist ein Druck, dem wir uns
selbst unterwerfen. Ich höre schon die Stimmen, die nun meinen, dass alles den
Bach runtergeht, wenn wir alles schleifen lassen, dass die Welt morgen
untergeht, wenn der Staub einmal liegenbleibt. Dafür rede ich nicht das Wort,
aber wenn ich mich laufend durch den Wald quäle, weil ich es mir vorgenommen
habe, obwohl es mir schlecht geht, dann ist es wie bei der eingangs erwähnten
Pippi Langstrumpf, die im strömenden Regen ihren Garten gießt. Sie hat es sich
nun mal vorgenommen, und es wird durchgezogen, ganz gleich was passiert, so wie
ich mir für diese Stunde vorgenommen habe zu laufen. Niemand hat etwas davon,
weder der Garten, der sowieso von Mutter Natur genügend Wasser bekommt, noch
ich, wenn ich mich abquäle, aufgrund einer Vorgabe, und darüber vergesse, dass
ich laufen gehe, weil es mir gut tun soll. Und so laufen wir, zombiegleich
durchs Leben, und behaupten unentwegt, dass es so sein muss, dass die Blumen
das Wasser brauchen, auch wenn sie schon längst genug haben, dass wir noch mehr
Dinge brauchen, auch wenn wir mit jenen, die wir haben, schon nichts weiter
mehr tun, als sie zu verstauen, dass wir noch mehr Entertainment und Action
brauchen, obwohl wir uns einfach einmal Ruhe gönnen sollten. Pippi gießt ihre
Blumen, als Annika und Tommy, ihre Freunde auf Besuch kommen. Natürlich
verstehen die beiden nicht was das soll, aber sie geben sich leicht mit der
Erklärung zufrieden, dass Pippi sich das eben vorgenommen hat. Was man sich
selbst vornimmt, dass muss man erfüllen komme was da wolle, auch wenn es keinen
Zweck hat, außer dem, dass ich mir selbst beweise, ich lasse mich durch keine
äußeren Umstände von dem abbringen, was ich mir nun mal vorgenommen habe, denn
sonst siegt der innere Schweinehund, und das darf nicht sein. Doch wo endet der
Verlust der Selbstdisziplin und beginnt der Aktionismus? Vielleicht ist es
dort, wo ich vor lauter selbstgemachtem Druck übersehe, dass die Menschen, die
mich in ihrem Leben aushalten, keinen Platz mehr darin haben. Doch ob wir
weiterhin im Regen Garten gießen oder dann, wenn wir sehen, dass die Pflanzen
aus Regenmangel danach verlangen, das liegt ganz alleine an uns.
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