Ich möchte Dir begegnen
Ich möchte Dir begegnen, ja, aber nicht in der
Geschäftigkeit des Tages, wo Du mit den Gedanken zurück und nach vorne
wechselst, wo Du nicht bleiben kannst, weil Dich der Aktionismus in den Krallen
hat und Du nicht auskommst, wenn schon ein paar Minuten körperlich, so doch
nicht gedanklich. Du denkst an all das, was Du schon erledigt hast, an all das,
was Du noch zu tun musst, und nicht an Dein Hier-sein. Es ist in Ordnung so.
Diese Tage gehören der Geschäftigkeit. Es ist die Zeit der Taten und nicht der
Worte, doch da möchte ich Dir nicht begegnen.
Ich möchte Dir begegnen, ja, aber nicht in einem Raum, den
Du oder ich aussuche, der Dich oder mich vordefiniert, denn das Urteil ist
rasch gesetzt. Ich schließe auf Dich aus der Räumlichkeit, die Du präferierst,
aus den Menschen, die sich dort aufhalten. So wie Du es bei mir tust. So wie
wir nach der Beschäftigung einteilen, ohne wirklich zu wissen, nach den
Räumlichkeiten, ohne einen echten Anhaltspunkt, so nach den anderen auf uns
selbst. Was, wenn wir diese Räumlichkeiten nur nutzen, weil sie gerade günstig
gelegen sind oder weil man genau dort, selbst unter vielen Menschen, für sich
bleiben kann? Ich will nicht hereinfallen auf die Gedanken, die sich
automatisch einstellen, will Dir keine Gelegenheit geben sie zuzulassen. Es ist
nicht der Raum, sondern das Wesen, deshalb möchte ich Dir so nicht begegnen.
Ich möchte Dir begegnen, ja, aber nicht in der Helligkeit
des Tages, da ich Dich taxiere, Deine Haltung, Deine Kleidung, Deine Frisur, so
wie Du mich. Vielleicht ist auch all das Ausdruck Deines Wesens, aber es muss
nicht so sein. Es geschieht unbemerkt und unbewusst, und doch, es geschieht,
denn wir sind alle vorberbildet durch Kategorisierung und Einteilungswahn.
Vielleicht hast Du Dich nur angepasst an die Vorgaben, die das Vorher stellte
oder das Nachher mit sich bringt, doch es hat nichts mit Dir zu tun. All das
ist mir unbekannt, und doch entscheide ich über Dich, ob ich es will oder
nicht, aber so will ich Dir nicht begegnen.
Ich möchte Dir begegnen, abseits des Trubels und der
Wirrnisse, in denen Du mir immer wieder entkommst in ein Anderes, in das ich
Dir nicht folgen kann und das Du mir nicht offenlegst, abseits der
Geschäftigkeit und der aktionistischen Vereinsamung in einer Stille, die uns zu
uns bringt und ein Aufeinanderzu ermöglicht.
Ich möchte Dir begegnen in der Weite der Unbestimmtheit,
ungeformt und natürlich. Inmitten eines Waldes, auf einer Wiese, an einem See,
wohin auch immer uns unsere Schritte führen, dort, wo auch unsere Gedanken weit
sind und noch ungefüllt, weil der Raum für Dich sein soll, für das Verstehen
dessen, was Du mir von Dir zu verstehen geben willst, nichts darüber hinaus.
Ich möchte Dir begegnen zu der Zeit des Übergangs vom Tag
zur Nacht, zu der Zeit der Unbestimmtheit und der Unbestimmbarkeit, Dir zu
zeigen, dass ich Dich nicht bestimmen will, nicht von mir aus, dass ich Deine
Unbestimmbarkeit anerkenne, so dass die Freiheit, der Raum und die Zeit es
möglich machen, dass ich weder meinen eigenen vorgeformten Gedanken von Dir,
den vorgefassten Urteilen oder den eigenen Einteilungen begegne, sondern
einfach nur Dir.
Ich möchte Dir begegnen, nichts weiter, nur Dir.
Du reist mit leichtem Gepäck an.
Nur Du.
Ich möchte, dass Du mir begegnest, nichts weiter, nur mir.
Ich reise mit leichtem Gepäck an.
Nur Ich.
Vielleicht finden wir in ein Verstehen. In ein Miteinander.
Niemand kann es wissen wie sich eine Begegnung entwickelt.
Aber wir können dafür sorgen, dass es eine Begegnung ist.
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