Kein Zeit mehr sich vertraut zu machen
Ein ganz normales Kinderzimmer in der heutigen Zeit in
unserer Welt. Es ist vollgestopft mit Sachen, Sachen, die das Kind nicht
braucht, weil es sie sich nicht vertraut machen kann. Ich erinnere mich, nicht
ohne Rührung an meinen Teddybären. Das geschieht, in solchen Momenten, einfach
so, ohne mein Zutun. Es war ein ganz normaler, eigentlich fast ordinärer
Teddybär in seiner Durchschnittlichkeit. Ungefähr 24 Zentimeter groß, in einem
mittleren Braun gehalten, kuschelig und mit kleinen dunklen Knopfaugen.
„Teddy-Pezzi“, hat er geheißen, das weiß ich noch, doch vor allem, er war mein
ständiger Begleiter, tags und nachts, vor allem nachts, so lange es opportun
war. Sobald die anderen Kinder meinten, sie seien zu groß, dass sie mit solchem
Kinderkram spielten, durfte er nur noch nachts zum Vorschein kommen und auch
nur, wenn es keiner sah, aber so lange es ging war er immer bei mir. Er war
mein Beschützer und Berater, doch vor allem mein Tröster. Er hielt die Dämonen
und Monster fern, und so lange er bei mir war, war ich nie allein. Während
dieser Jahre wurde er unzählige Male geflickt. Es waren die Narben des
intensiven Miteinander, die er am Leib trug. Immer wieder ging er verloren, und
meine Eltern hatten wohl schon einen Vorrat, so das sie ihn rasch austauschen
konnten. Eingedenk dieser Geschichte wollte ich für mein Patenkind einen
einfach Teddybären kaufen, wohl auch mit der Hoffnung, dass sie ihn zu ihrem
Begleiter küren würde, doch es war nicht möglich einen schlichten Teddybären zu
kaufen. Wale, Nashörner, Affen und viele Tiere mehr, aber kein Teddybär, und
wenn, dann als Sammlerstück von Steiff, die nicht wirklich zum Spielen geeignet
sind. Doch ich sah das Kinderzimmer, und es stapelten sich die Plüschtiere.
Wenn sie da waren, war es nicht störend, doch es würde auch kein einziges
abgehen, denn wir haben keine Zeit mehr uns vertraut zu machen.
Viele Jahre später, mein erstes Auto. Es war ein
übertragenes, ein zehn Jahre alter VW Passat. Weitab von all dem
Schnickschnack, der heutzutage das Fahren komfortabler macht, fuhr ich dieses
Auto mit Stolz. Mit der Zeit kannte ich all seine Macken und Eigenheiten, und
wahrscheinlich hätte ihn nach einiger Zeit niemand mehr fahren können außer mir
selbst. Er war mir vertraut, und wahrscheinlich würde ich ihn heute noch
fahren, wäre nicht der Tag gekommen, da der Mechaniker sagte, da ist wirklich
nichts mehr zu machen. Natürlich spielten ökonomische Überlegungen auch eine
Rolle, und so landete er auf dem Autofriedhof. Und mit ihm viele schöne
Erinnerungen. Ich kenne Menschen, die sich – so weit sie es sich leisten können
– ein neues Auto kaufen, bereits nach drei Jahren. Sie brauchen einfach etwas
Neues. Sie haben ihr Auto gerade mal erst kennengelernt, und schon muss er
ausgetauscht werden. Doch wenn er nicht mehr dem neuesten Standard entspricht,
dann taugt er auch nicht. Sie nehmen sich nicht die Zeit sich ihm vertraut zu
machen.
Immer wieder neue Freunde. Schon nach kürzester Zeit ist die
Euphorie groß, zumal, wenn man sie über die sozialen Medien kennenlernt. In
null komma nichts meinen wir den Menschen zu kennen, meinen einen neuen Freund
zu haben. Stolz präsentieren wir unsere ausufernden Freundeslisten, doch wenn
man nachfragt wie viele davon man wirklich kennt, dann wird es schon ruhiger.
Aber noch stiller wird es, wenn man weiterfragt, wie viele davon für einen da
wären, wenn man einen Freund braucht. Ich erinnere mich an die Zeiten, an meine
beste Freundin. Wir haben stundenlang geredet, kannten einander in und
auswendig, und wenn wir uns trennten wurde anschließend stundenlang weiter
telephoniert, als hätten wir uns seit Wochen nicht mehr gesehen. Wenn man mich
heute fragt worüber wir uns so ausufernd unterhielten, so habe ich keine Ahnung,
aber es ging nicht um den Inhalt, sondern um die Vertiefung unseres
Miteinander. Wir wären füreinander da gewesen, egal zu welcher Tageszeit, doch
wer nimmt sich schon die Zeit sich vertraut zu machen?
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