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Quelle: Rotus / pixelio.de |
Der Tag, an dem ich Dich verlor
„Ich muss mit Dir reden“, hatte er begonnen, damals. Wobei
dieses Damals gerade mal drei Tage her war. Lange Zeit schon hatte er sich
damit getragen ihr das zu sagen, eben das, was er ihr zu sagen hatte, und noch
länger war dieses Unwohlsein in ihm gewesen. Zuerst nur marginal, bloß so wie
ein kleines Zwicken, das sich ab und zu bemerkbar machte. Dazwischen war es
wieder gut. Wie eine Krankheit, die sich durch kleine Vorzeichen ankündigte.
Aber aus diesem Zwicken war ein Schmerz geworden, einer, der sich mit der Zeit
nicht mehr ignorieren ließ. Es war der Schmerz dessen, der verliert. Dann war
ihm allerdings noch nicht klar was er verloren hatte. Es war nicht seine
Brieftasche. Nicht sein Autoschlüssel. Es war überhaupt nichts, was irgendwo
lag, wo man einfach vergessen konnte wo dieses Wo war. Es war überhaupt kein
Ding. Vielmehr war es ein Verlieren von etwas, das man sich auch nicht selbst
beschaffen konnte. Eines Tages war es da gewesen. Nein, nicht einfach da. Es
hatte sich aufgebaut, damals, als sie sich gefunden hatten. Nach und nach. Mit
dem Kennenlernen, dem Einander-lernen. Da war es mit aufgeblüht. Immer weiter.
Trieb Blätter und Blüten, und er erfreute sich daran. Doch wie viel davon war
echt gewesen, und wie viel einfach Interpretation, Interpretation eines
Wollens. Er hatte es sich gewünscht, dass es das geben könnte. Es ist schwer zu
unterscheiden zwischen der Realität und der Vorstellung, wenn man sich etwas
wünscht. Vielleicht war das Miteinander, ihr Miteinander viel mehr sein Wunsch
als die Realität, doch jetzt hatte er es verloren. Nicht nur die Blüten waren
vertrocknet, auch die Blätter und die Äste. Kahl und verdorrt war es in ihm. Es
begann damit, dass ihre Gespräche zur Routine geworden waren. Alles Alltag.
Nun, das war wohl so üblich, denn irgendwann läuft das Leben wieder in seiner
Schiene und es gibt nichts Neues mehr. Jeder Tag kommt einem gleich vor.
Dieselben Fragen. Dieselben Antworten. Waren sie nicht früher spritziger
gewesen, engagierter? Waren sie es sich nicht mehr wert, die Mühe auf die Frage
einzugehen, die Antwort zu verstehen. Da begannen auch die Lügen, wenn man
sagte, es ginge gut, aber es war nicht so. Es ist das Zeichen dafür, dass man
sich einander nicht öffnen will. Nicht mehr. Du bist es mir nicht mehr wert.
Vage erinnerte er sich daran, dass es einmal anders war. Auch daran, dass sie
miteinander gelacht hatten. Jetzt blieb ihm das Lachen im Hals stecken. Es gab
nichts mehr zu lachen, und wenn, dann verhalten. Es machte Mühe zu erklären.
Auch das Lachen. Und doch schmerzte es, dass Verlieren. So wie sie es nicht
geahnt hatten, dass sie zusammen fänden, so hatten sie es auch nicht geahnt,
dass es auseinanderging, so schnell. Sie hatten das eine nicht gewollt, und das
andere nicht gesucht. Es passierte – und es lässt sich nicht ändern. Warum also
an etwas festhalten, was nicht mehr wächst und nur mehr schmerzt?
„Ich muss mit Dir reden“, hatte er begonnen, damals, Wobei
dieses Damals gerade mal drei Tage her war, „Ich habe Dich verloren und finde
Dich nicht wieder.“ Es kam stockend. Er wollte ihr nicht weh tun, aber er
wusste auch nicht wie es ihr ging, denn sie hatten nicht darüber gesprochen,
noch nicht. Sie nickte bloß und wartete, dass er weiter sprach, nur die Knöchel
an ihren Fingern waren weiß geworden, so sehr verkrampften sie sich um den
Griff der Tasse. „Wir haben einander verloren. Ich weiß nicht wann und wo, nur
dass es so ist. Es schmerzt. Aber etwas Totes kann man nicht mehr zum Leben
erwecken.“ Wiederum nickte sie nur, doch er wusste nicht ob er ihr zustimmte
oder ob es nur ein kleines Zeichen dafür war, dass sie seine Worte verstanden
hatte. Sachte stellte er seine Tasse ab und ging. Sie sagte immer noch kein
einziges Wort, nur das Klirren der Tasse hörte er, als er die Türe hinter sich
schloss.
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