Nichts tun
„Was machst Du da?“, fragtest Du, als Du, wie immer völlig
überraschend, den Kopf bei der Türe hereinstecktest, und so wie immer wirktest
Du getrieben, so dass ich mich wiederum getrieben fühlte so schnell wie möglich
zu antworten. Immer musste alles wie aus der Pistole geschossen klingen.
„Ich denke nach“, antwortete ich, um ein wenig Raum zu
gewinnen.
„Du tust also nichts als da zu sitzen und nachzudenken“,
fragtest Du, und es wirkte pikiert.
„Nein, ich denke nach, was ich Dir antworten könnte, aber
das mit dem hier sitzen, das trifft es schon mal nicht schlecht“, entgegnete
ich, immer noch uneins mit mir was ich denn machte. Aber wie sollte man einen
klaren Gedanken fassen können, wenn da jemand an der Türe stand und vor lauter
Energie herumzappelte wie aufgezogen. Plötzlich begannst Du Dir den Hals zu
verrenken.
„Liest Du vielleicht?“, versuchtest Du das Geheimnis zu
ergründen.
„Nein, ich lese nicht“,
erwiderte ich, froh, ein wenig Zeit gewonnen zu haben.
„Aber dann denkst Du nach?“, meintest Du, offenbar froh,
endlich eine Lösung für Dein Problem gefunden zu haben, „Es gibt ein Problem,
das Dich beschäftigt, und das versuchst Du zu lösen.“
„Nein, ich denke auch nicht nach“, musste ich Dich doch
enttäuschen, doch das war noch nicht alles, sondern ich musste auch
eingestehen, „Ich habe keine Probleme, die ich lösen müsste.“
„Du, also ich weiß gar nicht was ich sagen soll!“, stießt Du
aus, und ich dachte, das sieht jetzt doch nach Empörung aus.
„Atme tief durch und sag mir in Ruhe was Du sagen willst.
Ich habe Zeit“, versuchte ich Dich zu beruhigen, doch der Schuss ging irgendwie
nach hinten los.
„Ich soll mich beruhigen? Du weißt ja gar nicht wie ich
aussehe, wenn ich beunruhigt bin, aber Du, das schlägt ja alles!“, riefst Du
aus, und jetzt war ich sicher, das war Empörung.
„Aber warum regst Du Dich denn so auf, ich mache ja gar
nichts“, erwiderte ich.
„Genau das ist es ja. Gnä Frau hat Zeit. Gnä Frau hat keine
Probleme. Kein Mensch auf der Welt hat Zeit. Überall gibt es Probleme. Ich weiß
nicht wo mir der Kopf steht und wo ich anfangen soll meine Probleme zu lösen,
und Du, Du sitzt einfach da und kümmerst Dich um gar nichts“, echauffiertest Du
Dich.
„Jeder hat Probleme? Niemand hat Zeit? Was hast Du für
Probleme? Warum hast Du keine Zeit“, fragte ich nun weiter.
„Ja, was weiß denn ich, alles was so ansteht. Und wenn Du
schon keine eigenen Probleme hast, dann kannst Du Dich ja kümmern, engagieren
für irgend etwas. Heutzutage kann man sich ja für alles und jedes engagieren“,
entgegnetest Du entrüstet.
„Wofür zum Beispiel?“, fragte ich, ehrlich interessiert.
„Für die Tiere, den Umweltschutz, die Flüchtlinge, für die
Politik oder sonst was, aber mach irgendetwas“, fordertest Du mich auf, als
mich endlich die Erleuchtung heimsuchte und ich mir ein Lächeln nicht
verkneifen konnte.
„Warum lachst Du jetzt so komisch?“, fragtest Du mich
stirnrunzelnd, wohl auch weil Deine Gardinenpredigt nicht den gewünschten
Erfolg zeitigte.
„Weil ich jetzt endlich eine Antwort gefunden habe“,
antwortete ich offen.
„Antwort? Auf welche Frage?“, erwidertest Du verdutzt.
„Na auf die, die Du mir eingangs gestellt hast“, erklärte
ich zufrieden.
„Und die war?“, fragtest Du.
„Was ich mache, hast Du gefragt“, erklärte ich.
„Und, was machst Du?“, stießt Du unerbittlich nach.
„Nichts, ich mache nichts“, erwiderte ich seelenruhig. Dann
hörte ich die Türe zuknallen. Aber ich machte weiter mit dem, was ich die ganze
Zeit getan hatte.
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