11. Die Glaswand


Die Gitter sind gefallen, sie haben es endlich geschafft, gehen aufeinander zu, unbeirrt und zielstrebig, gehen aufeinander zu, die wenigen Meter, die sie trennen zu überwinden. Sehen sich schon im Miteinander und strecken sich die Arme entgegen, Hände mit geöffneten Handflächen, offenen, verwundbaren Handflächen, die Offenheit verheißen, im Schein der elf Kerzen. Sehen sich schon im Miteinander, wo sich ihre Handflächen berühren werden, doch was sie zu fühlen bekommen, ist nicht warm und weich, wie sie es erwartet hatten. Sie sehen einander, ihre Augen, das Gesicht und den Wunsch zueinander zu kommen, aber auch die Enttäuschung darüber, dass da wieder etwas ist, was ihnen den Weg zueinander versperrt, etwas, das sich kalt, hart und glatt anfühlt, und was sie dennoch nicht sehen können. Sie sehen ihre Hände, kaum einen Zentimeter voneinander entfernt, und können sie dennoch nicht fühlen. Was ist es nur, was diese Glaswand zwischen sie stellte? Was können sie tun um sie zu überwinden? Sie tasten an der Glaswand entlang und entdecken, dass sie zur Treppe führt, und diese hinauf, entdecken, dass sie die Treppe hinaufsteigen könnten, jeder für sich, einander wahrnehmend, doch nicht miteinander, ohne Möglichkeit zum Austausch. Sie könnten gehen und frei sein. Wohl ziehen sie diese Möglichkeit in Betracht, steigen wohl auch die ersten, wenigen Stufen hinauf, und die elf Kerzen flackern. Sie spüren sich atmen. Kraftvoll und drängend schlägt ihr Herz. Sie könnten gehen, den Kerker, die Kette, das Gitter, und selbst die Erinnerung daran hinter sich lassen, die Erinnerung daran und an all die Beschwerlichkeiten, die sie eigentlich überwunden hatten um zueinander zu kommen. Doch wollten sie das wirklich, zueinander kommen? War es wirklich ihr Wunsch oder bloß die Fortführung des erstbesten Gedanken, der ihnen unterkam? Wollten sie sich oder für sich sein? Die elf Kerzen flackern und verlöschen, eine um die andere, und eine ungekannte Kälte nimmt sie ein, und was sie wollen ist in Dunkelheit gehüllt.

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