Misstrauen
Deine Welt und meine Welt – wie zwei Kreise, die
nebeneinanderliegen, sich vielleicht berühren, doch niemals ineinander, niemals
Übereinstimmung und vor allem niemals Verstehen finden.
Was kann es auslösen, ein Wort, ein einziges Wort zu viel?
Wie viel Schaden kann es anrichten? Und wie schnell ist Zwietracht gesät
zwischen Dir und mir? Dieses eine, einzige Wort zu viel säte Unzufriedenheit in
mein Herz, Unzufriedenheit und Misstrauen. Ich konnte nicht dagegen an – und Du
warst plötzlich so weit weg von mir, durch ein einziges Wort. Ja natürlich, ich
hätte hier innehalten, mich Dir zuwenden, mich Dir wieder annähern können, aber
ich tat es nicht. Mehr noch, ich ging noch weiter.
„Warum hast Du mich und meine Welt erstehen lassen, wenn Du
mich mit ihr in der Verborgenheit hältst? Bin ich denn mehr als ein kleines
Spielzeug für Dich, das Du beliebig benutzt, wenn Du gerade mal alles andere
über hast? Ist dieser Ort denn mehr für Dich als eine Zuflucht vor der Welt,
Deiner Welt, wenn Du mal eine Auszeit brauchst? Was bin ich für Dich? Was
bedeutet dieser Ort für Dich?“, ließ ich meiner Verbitterung Worte entstehen,
die mir im selben Moment schon leid taten.
Das eine, einzige Wort zu viel führte, verführte zu diesen
vielen, vielen Worten zu viel, die die Saat der Unzufriedenheit und des
Misstrauens nährten, sie nur umso schneller Wurzel fassen und austreiben
ließen. Ich wusste, es war der falsche Weg, doch es war nur, als säße ich in
einem Waggon, der die Schienen bergab rollte, ohne Lok und ohne Bremse,
führungslos.
Das Wort, einmal getan und aufgenommen, einmal gesprochen
und gehört, kann nicht mehr zurückgenommen, kann nicht mehr ungeschehen gemacht
werden. Ich hatte es gesprochen und Du hattest es gehört, ich hatte es getan
und Du hattest es aufgenommen. Ja, den Anfang hatte ich gesetzt und der
Fehdehandschuh lag zwischen uns. Jetzt lag es an Dir. Würdest Du ihn aufheben
oder liegen lassen? Würdest Du auf meine Abwendung mit Abwendung antworten oder
würdest Du mich in meiner Abwendung abholen und der Zuwendung wieder zugänglich
machen?
„Ich gebe zu, dass es wohl nicht mehr war, nicht mehr als
eine Spielerei, nicht mehr als ein amüsantes Gedankenexperiment. Denn trotz
aller Anforderungen, trotz aller Dinge, die zu erledigen waren, dort, in meiner
Welt, trotz all dem, oder vielleicht gerade deswegen, langweilte ich mich. Ich
wollte weg, ausbrechen, und sei es nur für kurze Zeit. Deshalb habe ich mir
Deine Welt erdacht, um mich darin zurückzuziehen, Ruhe zu finden, denn diese,
Deine Welt verkörpert alles, was ich in meiner Welt vermisse, vermissen muss,
weil es nicht passt, in meine Welt. Hier muss ich nicht auf die Uhr sehen. Her
muss ich nicht ständig Dinge erledigen. Hier muss ich mich niemals erklären.
Hier darf ich sein. Hier weiß ich mich angenommen. Ich kann mich darin
verlieren, und wenn ich nichts mache, einfach nur nichts, dann ist es gut
getan. So war es zu Anfang, aber wer weiß denn schon, was sich aus einem zu
Anfang entwickelt.“, versuchtest Du zu erklären, und so klang, und ich wollte,
dass es nach einer gestohlenen Rechtfertigung klang, wollte es so verstehen.
„Und ich bin doch nichts weiter als Deine Lückenbüßerin.“, und der Waggon
rollte weiter, ungelenkt, ungebremst, dem Abgrund entgegen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen