Gefangen (2)
Meine Fäuste hämmerten gegen die Mauer, die sich nicht
rührte. Umso weniger mein Unterfangen von Erfolg gekrönt war, desto verbissener
setzte ich es fort, bist zur Erschöpfung. Ich schrie nach Dir, doch selbst
meine Stimme schien von den Mauern verschluckt zu werden, fraß sie sie auf, so
wie meine Zuversicht, meine Hoffnung. Erschöpft und kraftlos ließ ich mich
niedersinken. Warum wollte ich mich denn eigentlich befreien? Nur um dann zu
hören, dass Du mich nicht mehr willst? Bloß um die Mauern um mich mit der
Trauer der Verlassenheit zu vertauschen? Nein, dann doch lieber hier verrotten!
Was soll ich ohne Dich? Was bin ich ohne Dich? Ohne Dich,
das ist mehr als bloß allein, das ist die abgründige, unentrinnbare
Verlassenheit! Doch was nur, was hatte ich getan, das Dich veranlasste mich in
diese abgründigste Verlassenheit zu verweisen?
Aber es war mir mittlerweile ziemlich gleichgültig was ich
getan hatte. Was es auch immer war, ich würde es wieder gut machen. Was Dich
auch immer derart geärgert oder gekränkt hat, dass Du sogar so weit gingst mich
hier herunten einzusperren, ich würde es wieder ausgleichen. Ja, ich würde Dich
auch gehen lassen, ohne irgendeine Erklärung zu fordern, wenn Du mich bloß hier
rausholtest. Lass mich hier nur nicht allein, bloß nicht hier allein!
Und ich spürte wie mir die Tränen übers Gesicht liefen und
sich mein Herz beim bloßen Gedanken daran zusammenkrampfte. Du bist mir alles,
Leben und Sterben, Ankunft und Abschied, Vergangenheit und Zukunft, Tag und
Nacht, Hell und Dunkel, Lachen und Ernst, Freude und Trauer, alles und alles in
einem. Ich dachte, ich wäre es auch für Dich, und nun, nun hat sich meine Angst
erfüllt, meine Angst Dich zu verlieren. Natürlich hatte ich gewusst, dass es
eines Tages passieren würde, passieren musste, doch warum gerade jetzt?
„Nothing lasts forever
and wie both know hearts can change. ...
Lovers always come and lovers always go today“,
sang ich leise vor mich hin: Niemand weiß es. Niemand kann
es wissen. Dennoch, all diesem zum Trotz, zündete ich die Kerze nochmals an,
die Kerze meiner Hoffnung, noch ein letztes Mal. Völlig nass war sie vom
anhaltenden Regen, und dennoch schaffte ich es, sie zu entzünden, die Flamme
erstarken und sich erheben zu sehen. Sie schenkte mir Wärme, ein wenig.
Ja, es war gut, was wir uns sein durften, und wenn es denn
nicht sein sollte, wenn Du frei sein und gehen wolltest, dann würde ich Dich
gehen lassen, und indem ich das dachte, wichen die Mauern wie von selbst um
mich und verschwanden. Ich fand mich wieder, in meinem Bett, Dich neben mir,
gelassen und versonnen, als wäre nichts geschehen. Endlich erkannte ich, nicht
Du hattest mich eingesperrt, sondern ich selbst, hatte Mauern aus dunklen
Gedanken um mich herum aufgebaut, so dass Du nicht mehr zu mir und ich nicht
mehr zu Dir gelangen konnte. Ich hatte mich gefangengenommen. So konnte auch
nur ich mich befreien. Spontan umarmte ich Dich, als müsste ich mich
vergewissern, dass Du wirklich da bist.
Und die Kerze stand auf dem Tisch, brannte, heller und
schöner als je zuvor.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen