Sucht
„Ich brauche Dich“, sagtest Du – ich sagte nichts.
„Ich brauche Dich, wie die Luft zum Atmen“, sagtest Du – ich
sagte nichts.
„Ich brauche Dich wie das Wasser, um nicht auszutrocknen“,
sagtest Du – ich sagte nichts.
„Ich brauche Dich, wie die Pflanzen die Sonne brauchen um zu
wachsen“, sagtest Du – ich sagte nichts, nur wurde mir sehr kalt.
„Wenn Du nicht da bist, dann ersticke ich“, sagtest Du
weiter – ich sagte noch immer nichts.
„Wenn Du nicht da bist, dann vertrockne ich“, sagtest Du
weiter – ich sagte immer noch nichts.
„Wenn Du nicht da bist, dann verwelke ich“, sagtest Du
weiter – ich sagte immer noch nichts, nur lief mir die Gänsehaut über den
Rücken.
„Warum sitzt Du nur da und sagst nichts? Ich schütte Dir
mein Herz aus und mache Dir eine wunderbare Liebeserklärung, aber Du bleibst
stumm, mir gegenüber!“, insistiertest Du.
„Genau das ist es ja, mir gegenüber, entpersonalisierend und
benutzend“, gab ich zurück.
„Ich sagte Dir, Du bist mir Luft, Wasser und Sonne, und Du
sagst, ich entpersonalisiere und benutze Dich“, entgegnetest Du.
„Weder die Sonne, noch das Wasser, noch die Luft sind
Personen“, warf ich ein.
„Aber das sind doch nur Metaphern, Sinnbilder dafür wie sehr
ich Dich brauche“, versuchtest Du richtig zu stellen.
„Genau das ist es was mir Angst macht, dass Du mich derart
brauchst, eigentlich miss-brauchst“, sagte ich leise, und ich zitterte bereits,
trotz der Wärme.
„Wenn Du mich brauchst wie die Luft zum Atmen, dann bin ich
schuld, wenn Du erstickst. Wenn Du mich brauchst wie das Wasser, dann muss ich
es mir anlasten, wenn Du vertrocknest. Wenn Du mich brauchst wie die Sonne,
dann muss ich es verantworten, wenn Du eingehst. Wenn Du mich derart brauchst
wie Du sagst, dann habe ich keine Chance mehr darüber nachzudenken, was ich
wirklich will, denn Du zwingst mich in eine Verantwortung, die nicht meine ist
und nicht sein kann, in die Verantwortung für Dein Glück und Dein Bestehen“,
versuchte ich mich zu erklären.
„Aber das ist nun mal so, wenn man liebt!“, versuchtest Du
zu vermitteln.
„Das ist so, wenn man liebt, ja, wenn man sich selbst liebt
und sich im anderen absichert, sich über den Anderen seines eigenen Seins
vergewissert, doch wenn Du mich liebst, dann sollte es frei- und nicht gefangen
setzend sein“, gab ich zurück.
„Du brauchst mich also gar nicht?“, fragtest Du mich.
„Ich brauche Dich wie den Luftzug an einem heißen
Sommerabend, der Kühlung bringt und gut tut, aber ich kann weiterleben ohne zu
ersticken. Es ist nicht notwendig, aber es ist besser“, sagte ich – Du hörtest
zu.
„Ich brauche Dich wie den Sommerregen, an einem schwülen
Tag, der die Spannung, die Hitze löst und belebt, aber auf den ich nicht
angewiesen bin. Es ist nicht lebensnotwendig, aber es ist befreiend“, sagte ich
– Du hörtest zu.
„Ich brauche Dich wie die Sonnenstrahlen, die an einem
kalten, wolkenverhangenen Novembertag durch die Wolken brechen und mir ein
Lächeln aufs Gesicht malen. Ich bin eingestellt auf die Kälte, und so ist es
nichts notwendig, aber es ist beglückend“, sagte ich – und Du hörtest zu.
Nichts weiter, aber ein leichtes Aufatmen, vielleicht, durch
die vorangegangene Irritation hindurch, und mir kam die Wärme zurück. Ich nahm
Dich in den Arm.
„Ich brauche Dich nicht, weil ich Dich liebe, freisetzend,
bedingungslos und ohne Dich beherrschen zu wollen. Jeden Tag kannst Du Deine
Entscheidung aufs Neue treffen, und wie sie auch ausfällt, ich werde sie
akzeptieren, und wenn Du eines Tages gehst, eines Tages einen anderen Weg
einschlägst, dann kannst Du es mit leichtem Gepäck tun“, sagte ich, und Du
lehntest Dich an mich.
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