Der alte Kater und der junge Hund
Kam, fraß und ging. So ungefähr lassen sich die Besuche des
Katers zusammenfassen. Nicht regelmäßig, und doch über Monate hinweg immer
wieder kam er. Wir wussten nicht wem er gehörte oder ob er überhaupt ein zu
Hause hatte, aber mit der Zeit gewöhnten wir uns an seine Besuche und kaum,
dass wir uns daran gewöhnt hatten, blieben sie plötzlich aus. Etliche Jahre
sind mittlerweile ins Land gegangen und da geschah es, dass er eines Nachts vor
der Türe maunzte. Kam, fraß und ging, aber entgegen seiner früheren Gewohnheit
nicht sofort. Wir hatten jedoch mittlerweile Zuwachs bekommen. Ein junger Hund
bereicherte unser Leben und sah den Kater wohl als Spielgefährten. Vorsichtig
und neugierig umkreiste er den Gast, der es sich mit Ruhe und Gelassenheit
gefallen ließ. Alt war er inzwischen geworden, der Kater. Seine Bewegungen
waren langsam und bedächtig, aber nicht weniger elegant und anmutig. Ständig
hüpfte der Hund um ihn herum, wedelte auffordernd mit dem Schwanz und legte die
Vorderpfoten auf, während die Hinterbeine aufrecht blieben, denn er wollte
spielen. Da half keine noch so einladende Geste, kein Gehüpfe und kein Winseln,
der alte Kater spielte nicht mit dem jungen Hund. In aller Ruhe fraß der Kater.
Freudig sah der junge Hund, dass sogar noch was für ihn übrig war. Gierig fraß
er die Schüssel leer. Doch wo war er jetzt hin, der Kater? Er hatte es sich,
entgegen seiner früheren Gewohnheit, auf der Couch gemütlich gemacht, und zwar
genau dort, wo der junge Hund seinen bevorzugten Liegeplatz hatte. Irritiert
stupste er den Kater an, doch mit einem kurzen Prankenhieb auf die Nase waren
die Fronten geklärt. So leicht ließ sich der junge Hund nicht abweisen. Für
diese Nacht begnügte er sich noch damit auf dem Teppich vor der Couch zu
nächtigen. Doch bereits einige Nächte später lagen sie traut vereint auf der
Couch, als hätten sie immer zusammengehört. Nun kam der Kater jede Nacht, fraß,
schlief und verließ uns erst im Morgengrauen. Es war ein trautes, ruhiges
Miteinander. Dennoch mutete uns sein Verhalten seltsam an. Was war geschehen,
dass er plötzlich so heimisch und sesshaft geworden war, der alte Streuner?
Eines Morgens fand ich nun die beiden, die mittlerweile Freunde geworden waren,
scheinbar friedlich schlafend auf der Couch, bloß stand er nicht mehr auf, der
Kater. Friedlich war er wohl in dieser Nacht verschieden. Immer wieder stupste
ihn der junge Hund an, doch der Kater rührte sich nicht mehr. Es war mir, als
würde mich unser Hund fragend ansehen. „Was ist da los? Warum rührt er sich
nicht? Und vor allem, kann ich jetzt nicht mehr seine Futterschüssel leer
fressen?“, wollte er mich vielleicht fragen. Wir haben ihn feierlich im Garten
begraben. Bis heute wissen wir nicht wem er gehörte, und so konnten wir auch
niemanden erzählen was mit ihm passiert ist. Aber wenn ich es könnte, so würde
ich erzählen, dass er in Ruhe und Geborgenheit starb, so wie ich es jedem von
uns wünschen würde, in Ruhe, Frieden und Geborgenheit sterben zu dürfen.
Offenbar hatte sich der Kater bewußt solch einen Ort gesucht. Er spürte sein
Ende nahen und fand einen Freund. So verschieden die beiden wohl waren, so
wenig sie sich miteinander verständigen konnten, so einfach und unkompliziert
war ihr Miteinander.
So einfach kann es sein, das Miteinander, fraglos, sorglos,
einfach seiend.
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