2507 Ich liebe Dich nicht mehr


Ich liebe Dich nicht mehr


Endlich hatte sie damit aufgehört ihn zu umklammern, hatte damit aufgehört ihn mindestens zehn Mal am Tag anzurufen und noch mehr SMS zu schreiben, zumal es doch zumeist äußerst fadenscheinige Gründe waren weswegen sie den Kontakt mit ihm suchte. Sie hatte auch damit aufgehört ihn zu fragen wann er denn nach Hause käme, ja sogar überhaupt ihn zu fragen was er tat.

Endlich hatte sie damit aufgehört ihn zu nerven, aufgehört ihn mit Fragen zu nerven. „Wie geht es Dir?“, jede gefühlte Stunde, oder „Was treibst Du denn so?“, jede gefühlte halbe Stunde, oder „Was denkst Du gerade?“, die wohl nervigste Frage überhaupt, denn wie sollte er denn wissen was er dachte, wenn er ständig aus dem Denken gerissen wurde.

Endlich hatte sie damit aufgehört ihn zu kontrollieren, hatte aufgehört damit ihn ständig zu fragen wann er und wann er ginge, wo er hingehe und wo er her komme, mit wem er dort war und mit wem nicht, hatte aufgehört ihn ständig Rechenschaft über sein Tun und Lassen ablegen zu lassen, hatte endlich aufgehört ihn auf Schritt und Tritt zu überwachen.

Endlich hatte sie aufgehört damit ihn einzuengen, ihm die Luft zum atmen zu nehmen und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheiten  seine Entscheidungen zu hinterfragen, hatte aufgehört damit ihn zu zwingen sich immer und immer wieder erklären zu müssen.

Endlich hatte sie damit aufgehört. Nein, nicht nur aufgehört, mehr noch, sie hatte ihr Verhalten völlig geändert. Sie fragte ihn wohl noch wie es ihm ginge und wie sein Tag war, allerdings nur dann, wenn sich die Gelegenheit ergab. Antwortete er, war es ihr scheins recht und sie hörte ihm mit Anteilnahme und Empathie zu, wie er es gewohnt war, doch sie maßregelte ihn nicht und forderte es nicht ein.

Eigentlich war es seltsam. Schlagartig wurde es ihm bewußt wie sehr sie ihr ganzes Verhalten ihm gegenüber verändert hatte, einfach so, und im Hochgefühl seiner neu gewonnenen Freiheit war es ihm erst gar nicht aufgefallen, zunächst, wie weit sie von ihm abgerückt war. Als höflich und zuvorkommend könnte man ihr Verhalten ihm gegenüber bezeichnen. In der Art etwa wie man miteinander umgeht, wenn man lose befreundet ist, doch nicht wie Eheleute. Zum ersten Mal seit ewig langen Zeiten begann er darüber nachzudenken wie es wohl ihr ginge und was sie machte, so dass er sie anrief, entgegen aller Gewohnheit, mitten am Tag.

„Hallo Schatz! Wie geht’s Dir?“, fragte er sie.
„Danke gut. Ist irgendetwas passiert?“, zeigte er sich irritiert.
„Weil Du mich mitten am Tag anrufst. Das ist doch eher ungewöhnlich“, entgegnete sie ruhig.
„Da hast Du recht, aber ich werde doch wohl noch meine Frau anrufen dürfen wann ich will, ohne dass irgendetwas passiert sein muss“, brauste er plötzlich auf.
„Das ist doch kein Grund sich gleich so aufzuregen“, versuchte sie ihn zu beschwichtigen.
„Dann sag mir bitte was in letzter Zeit mit Dir los ist. Du bist so ganz anders als sonst“, bat er.
„Ist Dir das aufgefallen? Nun ja, offenbar geht es Dir gut damit“, entgegnete sie ausweichend.
„Das stimmt schon, aber ich möchte, jetzt wissen warum Du Dich so geändert hast“, blieb er hartnäckig.
„Ich merkte endlich wie sehr Dich mein Verhalten nervte und so änderte ich es. Ich fühle mich seitdem sehr viel freier, nachdem ich endlich damit aufhören konnte all mein Tun und Denken von Dir abhängig zu machen. Und, ich liebe Dich nicht mehr“, erklärte sie unverblümt.

Langsam und wie betäubt legte er auf.

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