Bis dass der Tod Euch scheidet ...
Es geschah an einem sonnigen Sonntagvormittag. Sie hatten
sich entschlossen einen ausgedehnten Spaziergang durch den Wald zu unternehmen.
Völlig unbeschwert, ja beiläufig sprachen sie miteinander. Es war wohl nicht
einmal ein Gespräch, sondern eine leichte, luftige Plauderei, wie sie zu solch
einen leichten, luftigen Sonntagvormittag zu passen schien. Dann wiederum
gingen sie eine Zeitlang schweigend nebeneinander her, ihren je eigenen
Gedanken anhängend, um ohne eine äußere Kommando plötzlich gleichzeitig zu
reden zu beginnen, was sie zum Lachen veranlasste, und selbst dieses Lachen war
leicht und luftig. Es war gut und schön. Keine einzige Wolke unterbrach das
satte Blau des Himmels, und kein einziger Misston unterbrach die Harmonie.
„Ich möchte mich von Dir scheiden lassen“, warf sie ohne
jegliche Vorwarnung in diese leichte, luftige Hamonie.
„Das ist doch nicht Dein Ernst! Warum willst Du Dich von mir
scheiden lassen? Willst Du nicht mehr mit mir zusammen sein?“, fragte er völlig
entgeistert und in einem Ton, als hätte ihm jemand aus heiterem Himmel einen
Schlag in die Magengrube versetzt.
„Gerade weil ich mit Dir zusammen sein will, möchte ich mich
von Dir scheiden lassen. Aber jetzt schau doch nicht so bedropitzt. Es ist doch
nichts Ungewöhnliches. Viele Leute lassen sich scheiden“, gab sie
kopfschüttelnd zurück.
„Ja, aber all die Leute, die ich kenne, ließen sich
scheiden, weil sie nicht mehr zusammen sein wollten“, erwiderte er, und es
stimmte wohl auch was er sagte. Ihr Anliegen war wohl wirklich als ein
sonderbares zu bezeichnen, unter den gegebenen Umständen.
„Du kannst Dich doch daran erinnern was wir uns versprachen,
damals, bei unserer Vermählung?“, fragte sie ausweichend.
„Natürlich kann ich mich daran erinnern, als wenn es
gerstern gewesen wäre. ‚Bis dass der Tod uns scheidet’, haben wir einander
zugesagt, und ich habe mein ganzes Vertrauen darein gesetzt, dass Du dieses
Versprechen ebenso ernst nimmst wie ich“, antwortete er vorwurfsvoll.
„Und das will ich auch nach wie vor, aber ich will es Dir
immer wieder versprechen können, jeden Tag aufs Neue Ja zu Dir, zu uns sagen
können, so wie ich Dir damit die Freiheit schenken möchte Ja zu sagen“, sagte
sie voller Begeisterung.
„Ich will das aber nicht. Ich habe schließlich schon einmal
Ja gesagt. Das muss doch wohl genügen. Denn damit muss ich doch jeden Tag aufs
Neue zittern ob Du nun Ja sagst oder nicht“, erwiderte er unwirsch.
„Kannst Du denn von Dir selbst behaupten, dass Du jeden Tag
Ja sagen kannst, bis zum Ende? Hast Du denn nicht auch was versprochen, was Du
von Dir selbst nicht erzwingen kannst? Ich kann es nicht, und ich will ganz
bestimmt nicht mehr mit Dir zusammen sein, nur weil Du dieses eine Mal zu viel
Ja gesagt hast und eigentlich schon längst Nein sagen möchtest. Es soll echt
bleiben. Das ist es, was ich mir wünsche“, sagte sie ruhig und überzeugt.
„Aber ich will es nicht. Ich will, dass alles so bleibt wie
es ist, denn damit ist alles gesagt worden was notwendig war, und ich muss nie
mehr darüber nachdenken“, sagte er ebenso bestimmt.
„Du gibst Dich also damit zufrieden nie mehr zu wissen was
ich wirklich will, nur weil ich damals wollte?“, fragte sie, nur um sich zu
vergewissern ob sie seine Worte auch wirklich richtig verstanden hatte.
„Ja, das will ich, bis dass der Tod uns scheidet“,
bestätigte er, bloß das leichte, luftige in ihrem Tun und Reden war seit diesem
Tag verschwunden, und wer weiß, vielleicht auch aus ihrem Leben.
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