Viel
passiert nicht
Es war
nicht viel passiert. Wie immer war nicht viel passiert. Wir waren beim
Heurigen, glaube ich, denn da war ein hübscher Gastgarten, vollgestellt mit
Heurigenbänken. Wir waren zu zweit da, Du und ich. Ich stand auf und ging ein
paar Schritte vom Tisch weg. Ganz kurz nur war es, oder zumindest denke ich,
dass es nur ganz kurz war. Ich drehte um, weil ich merkte, dass ich meine
Tasche vergessen hatte. Da waren die Tische derart miteinander vereint worden,
dass ein Viereck entstanden war. Rundherum saßen Leute und in der Mitte, denn
sowohl an der Innen- als auch an der Außenseite der Tische standen Bänke. Du
saßt mitten drinnen. Es war laut, ganz furchtbar laut. Das Lachen, das Reden,
alles unerträglich laut, und Du mitten drinnen. Die Leute, die da bei Dir, um
Dich herum saßen, ich kannte sie nicht. Es mussten wohl Freunde von Dir sein.
Niemand beachtete mich. Auch Du nicht. Doch ich wunderte mich nicht darüber,
merkte ich. Ich wollte bloß meine Tasche. Unbedingt wollte ich meine Tasche.
Doch sie war weggesperrt, so wie Du. Zuerst versuchte ich mich mit Gesten
bemerkbar zu machen, doch Du sahst nicht zu mir. Du sahst mich nicht. Zu sehr
warst Du ins Gespräch vertieft. Du redetest und lachtest mit den anderen mit.
Hatte ich Dich je so viel reden, so viel lachen gehört? Egal, ich wollte meine
Tasche. Ich versuchte Deinen Namen zu rufen, doch mein Ruf ging unter, aus
diesem Lärm aus Worten und Lachen. Bald gab es auch keine Worte mehr, sondern
nur mehr dieses dröhnende Lachen, das mich verhöhnte, das mich untergehen ließ,
mich und meine Worte. Ich schrie, so laut ich konnte, doch auch mein Schrei war
zu leise. Kaum, dass ich ihn selber hörte. Ich spürte eine kalte Wut in mir
aufsteigen. Ich wollte doch nichts weiter als meine Tasche. So stieg ich auf
die Bank, dann auf den Tisch. Ich merkte wie Teller brachen, Gläser umfielen. Der
Inhalt ergoss sich auf Beine, floss wohl auch in die Schuhe, doch keiner
achtete darauf. Keinem schien etwas aufzufallen, als wäre es das Normalste auf
der Welt dass ich mir hier, mit Brachialgewalt, einen Weg bahnte. Ich stieg auf
der anderen Seite des Tisches hinunter, setzte mich, direkt neben Dich. Du
sahst mich an, und durch mich hindurch. Noch einmal sagte ich Deinen Namen. Du
hörtest nicht. Unbeirrt sprachst Du, lachst Du, und ich gehörte nicht dazu. Ich
nahm meine Tasche. Stand auf. Was hatte ich hier auch noch verloren. Ich wollte
den selben Weg zurück nehmen, den ich gekommen war, doch die Leiber waren wie
eine undurchdringliche Mauer, fest gefügt. So stellte ich die Tasche wieder
nieder. In dem Moment tat sich ein Spalt auf. Also griff ich zur Tasche, doch
sobald ich sie in der Hand hielt, schloss sich der Spalt wieder. Gehen konnte
ich nur ohne meine Tasche und mit ihr nur bleiben, hier, wo ich nichts mehr
verloren hatte.
Viel
passiert nicht, aber einen Ausweg kann es nur geben, wenn ich bereit bin
abzuschließen und alles hinter mir zu lassen. Binde ich mich an das Hier, so
gibt es kein Gehen.
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