Körperkunst und Kunstkörper
„Mens sana in corpore sano“, bemühen wir
mal wieder den Lateiner, den wir doch sonst nicht brauchen, weil wir ihn für
überflüssig halten. Bloß da, wo wir uns genötigt sehen und zu rechtfertigen
warum wir solch einen Kult um unseren Körper bauen, da soll er uns denn doch
Schützenhilfe leisten, denn Autorität hat er ja, weil er so alt ist und so oft
zitiert, wenn wir Millionen für Kosmetikartikel ausgeben und wohl ebenso viele
Tiere eines qualvollen Todes sterben lassen, die wir dann ein kleines bisschen
bedauern, wenn sie uns als bemitleidenswerte Geschöpfe auf Facebook oder sonst
wo präsentiert werden, wenn wir in Botox und Schönheitsoperationen, in
Fitnessstudios und Personal Trainier, in den Yoga-Kurs und den großen
Weisheitslehrer, der eigentlich Karl heißt und aus Meidling stammt um vom
Heurigenbankerl weg in die höheren Weihen berufen zu werden, investieren, dann
kommt uns der Lateiner doch gerade recht. Überhaupt hat so ein altes Zitat in
sich schon die Attitüde einer unbestreitbaren Wahrheit.
„Mens sana in corpore sano“ wird da in
weinseliger Stimmung zitiert. Kurz noch wird darüber nachgedacht ob die
Endungen stimmen, ein angstvoller Blick in die Runde, ob nicht doch da einer
sitzt, der in der Lage ist diese verdammten Deklinationsendungen zu überprüfen.
Oder waren es die der Konjugation? Wie auch immer, niemand ist da, der sein
Veto einlegt, niemand, der nicht in schweigende Andacht verfiele, weil es
jemanden an diesem Tische möglich ist zu dieser vorgerückten Stunde und Laune
noch einen solch bedeutungsschwangeren Satz hervorzubringen. Der eine oder
andere schweigt wohl auch, weil er heimlich das Handy aus der Tasche zieht um
schnell mal zu googeln was denn dieser Satz bedeuten könnte, der alle
erschauern lässt. Nur verdammt, wie schreibt man das? Der alte Lateiner ist
doch noch immer ehrfurchtsgebietend.
„Mens sana in corpore sano“ wird landauf
landab propagiert, und in den schweinsbratengefetteten Gesichtern macht sich
ein verklärtes Lächeln bemerkbar, ein cholesteringeschwängerter Blick auf das
vermeintliche Selbst, das man einmal war, damals, muskulös und Waschbrettbauch,
und ja, dort kommt man auch wieder hin, morgen vielleicht oder übermorgen, denn
wir wissen ja alle Bescheid, wissen wie das auszusehen hat, wie wir auszusehen
haben, nach Idealmaß. Nicht mehr vom Schneider, sondern von der Stange wollen
wir sein, einheitlich, uniform. Mit Worten Aufgeklärtheit und Individualismus
heuchelnd, wird mit Taten alles daran gesetzt, gleich zu sein, in allem,
angepasst und entpersönlicht.
„Mens sana in corpore sano“ lehrt uns die
Unversehrtheit eines Körpers, der die Individualität des Geistes spiegelt, ein
Kunstwerk, das nicht ständig nachgebessert werden muss, sondern, das aus sich
wirken und gelten dürfen muss. Dabei hat der Kunstkörper den Körper als
natürliches Kunstwerk schon längst überlagert, das hingetrimmte Stück Fleisch
weiß sich zu rächen, und geht unter in der Masse der Verbrauchsartikel, die
ebenso entsorgt werden, wenn sie nicht mehr völlig entsprechen, dem der Geist
entflieht, weil er nicht mehr in einem Individuum wohnt sondern in einem
unbestimmten, bedeutungslosen Einerlei aus Vorstellungen und Vorgaben,
Künstlicher Geist in einem künstlichen Körper, statt lebendiger Geist im
Kunstwerk Mensch.
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