Liebe Mutter!
Ich
schreibe Dir heute einen Brief, weil ich keine andere Möglichkeit habe, seit er
mir das Handy und den Computer weggenommen hat. Er sagte, ich hätte zu lange
mit meiner Freundin telephoniert. Damit hat er ja auch recht. Ich konnte mich
einfach nicht zusammenreißen. So war es notwendig geworden. Ich wollte Dir nur
sagen, dass es mir gut geht. Alles hat sich entwickelt, vor allem ich.
Natürlich hatte ich viel lernen müssen, aber mein Mann ist sehr zufrieden mit
mir. Manchmal sitze ich draußen auf der Veranda und genieße die Landschaft und
die Stille. Nicht, dass Du was falsches denkst. Das mache ich natürlich erst,
wenn alle Arbeit getan ist. Es ist gut, dass der nächste Ort fünf Kilometer
entfernt ist. So kann mich nichts und niemand von meiner Arbeit ablenken.
Frauen kommen ja so leicht auf dumme Ideen, sagt mein Mann, und er hat viel
Erfahrung in der Welt. Du musst Dir auch keine Sorgen machen. Er behandelt mich
gut. Ab und zu schlägt er mich, aber er macht das sehr rücksichtsvoll, denn er
achtet stets darauf, dass es die Kinder nicht merken und er schlägt mich auch
niemals ins Gesicht, sondern nur dorthin, wo ich es gut unter den Kleidern
verbergen kann. Es geht ja auch schließlich niemanden etwas an. Und es
geschieht auch wirklich sehr selten. Meistens, wenn er betrunken ist. Aber auch
das muss man verstehen, denn ein Mann ist nun mal anders, wenn er betrunken
ist. Andererseits hat er die Möglichkeit all die Probleme zu verarbeiten, die
er hat, aber ich nicht, wenn er mit seinen Kumpels einen draufmacht. Ein Mann
braucht seine Freiheit. Eine Frau kann damit nicht umgehen. Ich habe doch
alles, was ich brauche, zwei brave, gesunde Kinder, ein schönes Haus, genug zu
essen, und einen Mann, der mich nur ab und zu schlägt. Aber damit Du keinen
falschen Eindruck bekommst, er ist sehr gut zu mir. Letztens war ich beim
Holzhacken unachtsam und hieb mir den kleinen Finger der linken Hand ab. Ich
rief ihn an, denn das war die Zeit, da ich noch ein Handy hatte. Er saß gerade
mit seinen Freunden bei einem Bier, und Du wirst es kaum für möglich halten,
was dann passierte! Er trank also in einer Runde Männer ein Bier in der Kneipe,
als ich anrief, was ja an sich schon ungeheuerlich ist, ihn vor seinen Kumpels
so bloßzustellen. Aber er war nicht ungehalten. Ganz im Gegenteil, er trank
noch sein Bier aus, denn das musste er ja schließlich zahlen, holte mich ab und
fuhr mit mir ins Krankenhaus. Es gab kein einziges böses Wort, nicht einmal ein
böses Wort, wo ich doch so unachtsam gewesen war und es durchaus verdient
hätte. Er bat mich nur, das nächste Mal besser aufzupassen. Hätte ich es besser
treffen können? Ich denke nicht. Er verwöhnt mich geradezu. An manchen Abenden
kommt er beinahe direkt nach der Arbeit nach Hause. Dann schicke ich die Kinder
sofort ins Bett, damit ich ganz für ihn da sein kann. Ja, Mama, dann darf ich
ihn rundherum verwöhnen und bedienen, bis er mich ins Bett schickt. Den Kindern
ist er ein sehr guter Vater, besonders unsere kleine Mia bedenkt er mit
überbordender Zärtlichkeit, doch das kleine Gör scheint da was falsch zu
verstehen. Sie ist auf jeden Fall ganz merkwürdig in letzter Zeit, redet kaum
mehr und isst nichts. Sie meinte sogar, dass der Papa zu lieb zu ihr ist. Als
wenn es ein zu viel an lieb geben könnte. Dieses Mädchen hat einfach keinen
Vergleich und sieht nicht, was sie an ihrem Vater hat. Ich denke sehr oft an
Dich, und wollte nur, dass Du weißt wie glücklich und zufrieden ich bin. So
wird es auch bleiben. Denk daran.
Deine
Dich liebende Tochter
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