Dia.log (8): Achtsamkeit
Der Dia.log der Einheit, Ganzheitlichkeit, von Leib und
Seele, der das Getrennt-sein noch nicht kennt,
im Raum des vorsprachlichen, unartikulierten Wortes, wird gebrochen,
indem wir sprechen lernen. Ganz natürlich, ganz menschlich, gehen wir in die
Gebrochenheit und erachten es als Fortschritt. Was ja wohl auch seine
Berechtigung hat, wenn man die Möglichkeit hat schnell und einfach darum zu
bitten, dass einem das Salz gereicht wird oder man mit der Nachbarin den
neuesten Tratsch verbreiten kann. Doch wenn ich durch den Wald gehe, wenn ich
mich einlasse auf die Stille und meine Gedanken, die das Neu-entdeckte der
letzten Tage durchspielen, weiterspinnen und neue Gedanken gebären, wenn ich
mich an deren Werden und sich gegenseitig Befruchten erfreue, wenn sich da ganz
neue Konstellationen und Verknüpfungen finden, dann fällt es mir schwer die
richtigen Worte zu finden, wenn mir eine flüchtige Bekannte über den Weg läuft
und mich zwingt höflich zu sein, und höflich zu sein bedeutet mich in
Konversation zu üben. Genauerhin im Small Talk, oder was es noch besser zum
Ausdruck bringt, im Fast Talk. Ein schnelles Gespräch, nichtssagend,
bedeutungslos. Phrasendreschereien. Nichts was wert ist behalten zu werden.
Schade um all die schönen Worte, die da sinnlos verschleudert werden. Schnell,
weil die paar höflichen Floskeln gleich einmal heruntergeleiert sind, und dann
verabschiedet man sich wieder, denn jeder hat es eilig. Wir gehen schon davon
aus, dass der andere es eilig hat und wenn es der andere nicht eilig hat, dann
fühlt er sich dazu genötigt dies zu rechtfertigen. „Ausnahmsweise, ganz
ausnahmsweise, habe ich es nicht eilig. Ich habe heute einen freuen Tag“, wird
dann gesagt, wobei diese freien Tage dann vollgestopft werden, zumeist, mit all
den Freizeitverpflichtungen, die man meint schnell einmal abhaken zu müssen.
Ein schnelles Gespräch, das rasch vorübergeht, nicht tangiert, aber doch all
die schönen Gedanken und Erkenntnisse von gerade eben vertreibt, und das für
etwas, das nicht des Wortes wert war. Fast Talk, weil es fast ein Gespräch ist,
im Sinne von beinahe. Es benutzt zwar Worte, die einen aber nichts angehen. Es
geschieht zwischen Dir und mir, doch es werden vorgefasste Antworten erwartet
und gegeben, denn man will ja nicht unhöflich sein. Was soll denn der andere
von einem denken. Doch die eigentliche Missachtung des Anderen liegt in diesen
Beinahgesprächen. Dia.log im gebrochenen sprachlichen, artikulierten Sinne
zeichnet sich durch Achtsamkeit aus, Achtsamkeit für Dein mich Ansprechen, auf
die Wahl Deiner Worte und die Gesamtheit Deines Sprachbildes, Deine Mimik,
Gestik, Deine Blicke und Bewegungen. Achtsamkeit macht aus einem Fast Talk
einen Dia.log, in dem wir gemeint sind. Das ist Höflichkeit sich die Zeit zu
nehmen Dir in der Achtsamkeit auf die Worte, die für Dich Inhalt und Bedeutung
haben, Aufnahme und Annahme zu sein. Da bin ich auch bereit meine Gedanken
fahren zu lassen, für Dich leer zu werden, damit ich Dir Platz bin für Deine
Ankunft, dass ich Dich so weit verstehe, wie es nur irgend möglich ist. Vollkommenes
Verstehen ist in einer Welt der sprachlichen, artikulierten Worte nicht mehr
möglich, in der, die Bedeutung schwankend ist, doch eine Annäherung ist
möglich, wenn ich bereit bin offen und achtsam zu sein, wenn ich bereit bin
mich auf Dich einzulassen. Achtsamkeit ist der Schlüssel, der einzige Schlüssel
zu einem Verstehen, das über den bloßen Wortsinn weit hinausgeht, das Dich meint
und Dich annimmt, das nicht im Vorübereilen geschieht, sondern im Stehenbleiben
und auf Dich Einlassen, dass Dir Einladung ist zu Dir selbst, dass sich lebt
und entwickelt und weitet und verstärkt in der Gegenseitigkeit des Werdens.
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