Knurx
Eine
Telephonzelle! – Daß es so etwas noch gibt, daß so etwas noch jemand braucht?
Gibt es denn noch irgendjemanden, der kein Handy besitzt? Muß wohl so sein,
denn schließlich zahlt es nicht ja nicht aus nur für Leute den Apparat
aufzustellen, denen gerade ein Mercedes über das Handy gefahren ist. Ich zwänge
mich durch die Schwingtür hinein, und suche automatisch nach der Menütaste, um
zum Telephonbuch zu gelangen. So ein komisches Telephon, doch warum sollten
auch in einem öffentlichen Telephon meine Nummern eingespeichert sein.
Mißtrauisch betrachte ich das gelbe Buch, das unter dem Telephon liegt. Dem
Buch verweigere ich mich ein weiteres Mal, und entschließe mich auf andere
Weise in die Stadt zu gelangen. Doch wie? Ist nicht unserem Haus gegenüber eine
Bushaltestelle? Sie ist mir deshalb erinnerlich, weil ich mich immer so über
die Verzögerungen ärgere, die ich durch die Busse und ihre Fahrgäste in Kauf
nehmen muß. Jetzt bin ich dankbar, daß sie da ist. Ich stelle mich zu den Leuten dazu, die schon
warten. Ich schließe daraus, daß bald ein Bus kommen muß. Wirklich! Wenige
Sekunden später hält der Bus und ich steige ein. Der Buschauffeur nennt mir den
Preis. Ich beginne meine Taschen zu durchsuchen. Hinter mir ist ein deutliches
Murren der Einsteigewilligen zu vernehmen, als eine Hand von hinten nach vorne
gestreckt wir und etliche Münzen klimpern. „Ich zahle für den jungen Mann
mit.“, sagt eine, offensichtlich zur Hand gehörige, Stimme. Ich drehe mich um.
Eine ältere Dame im eleganten Kostüm lächelt mich mitleidig an. „Warum tun Sie das?“, frage ich sie, nachdem ich meine
Verwirrung einigermaßen überwunden habe. „Weil Sie“, antwortet sie höflich,
aber mit einem unübersehbar spöttischen Blick auf mein Äußeres, „offensichtlich
kein Geld haben, und mir kommt es auf die paar Euro nicht an.“, und damit
schlängelt sie sich grazil an mir vorbei, um auf einen de hinteren Reihen Platz
zu nehmen. „Wie kommen Sie darauf?“, murmle ich noch als ich an mir
heruntersehe. Ich möchte bei diesem Anblick fast selbst Mitleid mit mir
bekommen. So wie ich war, in Hausanzug, Pantoffeln und der unübersehbaren
Schokoriegel-Spur, die meine Tochter an mir hinterlassen hat, war ich aus dem
Haus gelaufen. Ich mußte wirklich einen beklagenswerten Eindruck machen. Aber
ich habe keine Zeit länger darüber nachzudenken, denn der Bus fährt schon los.
Wo fährt er eigentlich hin? Er wird schon irgendwo hinfahren, und dort, wo es
mir günstig erscheint, dort werde ich aussteigen, lege ich mir meine
Vorgangsweise zurecht. Erschöpft lasse ich mich in einen Sitz niedersinken. Ich
bin gerade daran einzudösen, als mir die Frage aller Fragen durch den Kopf
schießt und mich aufschrecken läßt: Was ist ein Knurx? Die Frage aller Fragen,
und er Auslöser für das ganze Desaster. Der Bus fährt und ich sehe aus dem
Fenster. Was für ein eigenartiges Gefühl sich nicht auf den Verkehr
konzentrieren zu müssen, sondern sich einfach ziellos die Gegend ansehen zu
können. Irgendwie ist es mir als würde ich meine Heimatstadt zum ersten Mal
seit sehr, sehr langer Zeit wirklich sehen. Von Ferne dämmert mir die
Erinnerung an die Zeit, da ich spazieren ging, einfach so durch die Gassen,
ziellos. Wie lange das wohl her ist?
Ich
hatte wohl nicht erwarten können, daß der Bus vor der Haustür des Professors
haltmacht, aber jetzt wird die Gegend immer unbekannter und das Gefühl im Magen
immer flauer. Ich beschließe bei der nächsten Haltestelle auszusteigen Immer
weiter weg scheint mich der Bus von meinem Ziel zu führen. Ich steige aus, und
versuche mich zu orientieren. Wenn ich es richtig vermute, dann werde ich zu
Fuß zumindest eine, wenn nicht gar zwei Stunden bis zum Haus des Professors
gehen müssen. Oder sollte ich einfach umdrehen und es bleiben lassen? Nein,
nicht so knapp vor dem Ziel resignieren. Woher meine Sicherheit kommt, da der
Professor die Antwort auf meine Frage weiß? Er muß es einfach wissen! Ich
klammere mich an diesen Gedanken wie der Ertrinkende an deinen Strohhalm. Ich
gehe los. Außerdem ist zu Fuß gehen gesund. Als ich jedoch drei Stunden später
beim Haus des Professors ankomme, frage ich mich, keuchend nach Luft
schnappend, was an zu Fuß gehen so gesund sein kann. Ich bemitleide mich und
meinen zerschundenen Körper.
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