Hinführung
„Aber Herr Pastor, das geht doch nicht! Sie können doch
nicht in diesem Häuschen am Waldrand leben. Wie sieht denn das aus, und das
auch noch wo Ihre Frau in guter Hoffnung ist. Nein, das geht nun wirklich
nicht!“, erklärte die alte Frau Wichant energisch, als sie des neuen Pastors im
Ort habhaft wurde. Das war die erste Begegnung zwischen dem großgewachsenen,
hageren Mann mit den lebhaften, sanften Augen und Frau Wichant, einer kleinen,
pummeligen, aber umso energischeren Person, die sich nach dem Tod Ihres Mannes
vollends der Kirche und ihrem Dienst verschrieben hatte. „Aber Frau Wichant, es
ist ein wunderschönes Haus. Wir haben es hergerichtet, so dass es warm und
gemütlich ist. Meine Frau und ich fühlen uns sehr wohl darin“, antwortete der
Herr Pastor lächelnd, aber dennoch eindringlich und überzeugend, denn Frau
Wichant war zumindest weniger besorgt, obwohl der Herr Pastor, der sollte doch
etwas Nobleres haben, aber nachdem sie das Gemüt einer Großmutter hatte, die
sich zufrieden gab, sobald sie überzeugt davon war, dass die Menschen, die sie unter
ihre Fittiche nahm, glücklich waren, ließ sie von ihren Bekehrungsversuchen ab.
Und das waren sie, der Herr Pastor und seine Frau, zufrieden.
Im Frühjahr waren sie eingezogen, in jenes kleine Häuschen, das am Rande des
Ortes lag. Die Bäume des angrenzenden Waldes wuchsen so nahe heran, dass man
nicht genau zu sagen vermochte wo der Garten aufhörte und der Wald begann.
Während er das Haus reparierte und wohnlich machte, legte sie einen
Gemüsegarten an, so dass im Herbst alles für den Einzug bereit war. Er trat
seinen Dienst an als Pastor und sie als Religionslehrerin im hiesigen
Gymnasium.
Der Ort war groß genug um zwei christliche
Religionsgemeinschaften zu beherbergen, groß genug, dass nicht jeder Zuzug
eines Fremden argwöhnisch beobachtet wurde, aber immer noch klein genug, dass
Menschen, die ein wenig anders lebten, zumindest interessiert beobachtet
wurden.
„Die haben kein Auto“, wurde gemunkelt.
„Ja, und auch keinen Fernseher“, wussten andere zu
berichten.
„Aber Sektierer können sie nicht sein. Schließlich ist er
evangelisch und sie katholisch“, überlegten andere.
„Sind wir nicht alle Christen?“, sinnierte einer der
ansässigen Stammtischbrüder, der für sein außerordentlich gestähltes
Sitzfleisch bekannt war, bevor er wieder einschlief, denn das sinnieren macht
doch schon sehr müde.
„Aber gegen Technik haben sie nichts. Sie haben eine
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach“, wurde weiters erzählt.
„Dann sind das wohl so Alternative, so Grüne“, reimte sich
eine andere Dorfbewohnerin zusammen, „Meine Kinder sollen sie in Religion
bekommen, habe ich gehört. Ich glaube, ich muss da mal genau aufpassen was die
ihnen so erzählt. Nicht, dass sie denen so Öko-Ideen in den Kopf setzt. Die
sollen ja auch alle Joints rauchen.“ „Ach was, das war doch schon viel früher,
die Hippies. Und nach freier Liebe, nein, danach sehen sie mir nicht aus, aber
wer kann schon in einen anderen hineinsehen“, meinte eine andere Frau und ging
achselzuckend weite
Dies wurde weitererzählt, im Café, im Wirtshaus, im
Lebensmittelgeschäft, auf der Bank und beim Spaziergang, wo immer es sich eben
gerade traf. Und noch bevor der Herr Pastor nur einen Schritt in die Kirche
respektive seine Frau in die Schule gesetzt hatten, fanden sie sich bereits
unter strenger Beobachtung.
„Man weiß ja nie, was das für welche sind“, pflegte die
Dorftratsche all ihre Gespräche über Neue im Dorf zu beenden. „Ja, Christus
hätte bei Ihnen keine großen Chancen gehabt“, entgegnete der Herr
Bürgermeister, als auch er mit den Gerüchten behelligt wurde, doch er biss sich
sofort auf die Zunge, denn schließlich wollte er im nächsten Jahr wieder
gewählt werden, doch die entsprechende Dame war schon weitergegangen. Sie hatte
es wohl nicht einmal gehört, zu sehr musste sie sich darauf konzentrieren die Neuigkeiten
weiterzutragen, und sie trug schwer daran.
Im Häuschen am Rande des Ortes bekam man davon nicht viel
mit. Bald schon konnten sie die Gerüchte vollends zerstreuen, denn sowohl der
Herr Pastor bei den Gemeindemitgliedern, als auch die Frau Professor bei den
Schulkindern waren sehr beliebt, und weder Aktivisten noch übriggebliebenen
Hippies.
„Sie haben wirklich kein Auto und keinen Fernseher“,
bestätigte einer ihrer Schüler, „Aber ansonsten sind sie ganz normal.“ So
sprach es sich herum, so wurden sie akzeptiert. Mittlerweile war es Advent
geworden und in wenigen Wochen sollte das Kind zur Welt kommen. Und sie hießen
Joseph und Maria.
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