1701 Darf ich Ihr Hund sein? (Teil 1):


Veränderungen


Max Mank war alt. Doch erst seit seine Frau gestorben war fühlte er es deutlich. Bis dahin war es ihm nicht wirklich aufgefallen. Zuerst waren die Kinder aus- und weggezogen. Nach und nach verließen sie die Freunde, und zuletzt auch seine Frau. Sie war seine letzte Stütze gewesen, zumindest seit der Pensionierung vor nunmehr zehn Jahren. Nicht, dass sie eine besonders glückliche Ehe geführt hätten. Es war eben Ehe und es war wie bei allen anderen auch, nur wenn man keinen Beruf mehr hat und sich der Kontakt zur Außenwelt auf das Grüßen des Briefträgers oder ein paar Worte mit der Verkäuferin in der Bäckerei beschränkte, dann war man einfach aufeinander angewiesen.

Seine Frau war nie arbeiten gegangen, denn er hatte sein ganzes Leben lang gut verdient, gut genug um drei Kinder großzuziehen, sich ein kleines Häuschen in der Stadt leisten und zumindest zwei Mal im Jahr auf Urlaub fahren zu können. Das war seine Vorstellung von Leben gewesen, umsorgt und behütet zu sein, wenn er nach einem arbeitsreichen Tag müde und abgespannt nach Hause kam, dann wartete ein liebes Frauchen mit dem Essen und netten Worten auf ihn. Er brachte das Geld und kümmerte sich um sonst nichts. Sie besorgte den Haushalt, die Kinder und eben all so weibliche Kleinigkeiten. Damit wollte er nichts zu tun haben. Das war ganz allein ihre Sache gewesen, und jetzt, da er allein war, musste er jeden Tag aufs Neue feststellen, dass sie das wirklich perfekt gemeistert hatte.

Jedes Mal, wenn er etwas suchte, dachte er, Maria hätte es gewusst. Jedes Mal, wenn ihm die Milch oder das Brot ausging, dachte er, Maria wäre so etwas nie passiert. Mittlerweile war es ein Jahr her, dass sie gestorben war. Am Anfang war er gänzlich verloren, wusste er doch noch nicht einmal wo der Zucker stand in der Küche oder wie der Ofen zu benutzen war. Es war ihm, als wäre er in ein völlig fremdes Haus eingezogen, das noch dazu viel zu groß war für ihn allein. Nach und nach schaffte er es zumindest das zum Überleben notwendige selbst zu machen, aber nein, Maria hätte alles besser gemacht. Warum hatte sie ihn bloß alleine lassen müssen? Warum hatte er nicht vor ihr gehen dürfen?

Ein Jahr war vergangen, und er hatte sein Leben immer noch nicht wirklich im Griff. Würde er es je wirklich in den Griff bekommen? Alles erschien ihm so mühsam, als müsste er völlig neu zu leben beginnen, völlig neu lernen. Dabei waren es doch zumeist nur Kleinigkeiten, wie das Einschalten des Geschirrspülers oder der Waschmaschine. Zu Anfang hatte er seine Wäsche in den Korb getan, so wie er es seit Jahrzehnten gewohnt war. Ob er sich erwartete, dass der Korb sich wie von Zauberhand leerte und dann die sauber gewaschene und gebügelte Wäsche im Kasten landete? Wohl kaum, aber er war es so gewohnt. Irgendwann ging sein Wäschevorrat zu Ende. Irgendwann quoll der Wäschekorb über. Dann musste er sich wohl oder übel mit der Waschmaschine auseinandersetzen. Wie hatte seine Frau das nur gemacht? Wie hatte sie das alles geschafft? 

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