Eifersucht?
Nachdenklich sah ich Dir zu, wie Du Dich
mit dem Brief in der Hand vor den Kamin setztest. Eifersüchtig? Auf Dich? Meine
wunderschöne, heitere Schwester?
Ja, man könnte meinen, dass Eifersucht mit
im Spiel war. Zehn Jahre warst Du jünger als ich. Und diese Jugend, voll Freude
und Feuer, trugst Du wie ein Schild vor Dir her. Anmutig warfst Du Dein blondes
langes Haar zurück. Die blauen Augen blitzten. Mit Deinen knapp zwanzig Jahren
hattest Du tatsächlich noch alles vor Dir. Du standest am Anfang. Nicht, dass
ich meinte, dass man mit dreißig schon alt wäre, aber ich, ich kam mir alt vor.
Ich war müde von diesen dreißig Jahren Leben, und bei Dir wirkte es, als
hättest Du Dich zwanzig Jahre vorbereitet um nun zu beginnen. so lange ich Dich
kannte warst Du immer diejenige, die im Mittelpunkt stand, die die Herzen der
Menschen zu verzaubern vermochte. Ich kannte niemanden, der sich Deiner Anmut
und Heiterkeit zu entziehen vermochte. Auch ich nicht Ich liebte Dich, und
hatte darüber hinaus auch noch das große Glück, dass Du meine Schwester warst.
„Ich werde Dich Glöckchen nennen“, sagte
ich unvermittelt. Du wandtest mir Dein schmales Gesicht zu, das vor Aufregung
strahlte.
„Wieso das?“, fragtest Du irritiert.
„Weil Du mich an die kleine Fee Peter Pans
erinnerst“, erklärte ich Dir, woraufhin Du auf mich zugeflogen kamst und auf
die Couch warfst. Ich konnte gerade noch mein Buch vor Dir retten.
„Ach, meine süße, traurige Beatrice. Du
tust mir so gut. Du bringst Ruhe in mein Leben“, sagtest Du, und trotz aller
Positivität klang es in meinen Ohren wie ein Vorwurf.
„Eigentlich heiße ich Beatrix, und Du wirst
meiner wohl bald überdrüssig sein. Es wird nicht lange dauern, und Du wirst
Dich langweilen“, entgegnete ich ernst.
„Wie könnte ich? Niemals werde ich Deiner
überdrüssig. Du bist der Ruhepol in meinem Leben. Zu Dir kann ich immer
zurückkommen“, entgegnetest Du verhalten.
„Eher Ruhekissen. Das gemahnt an einen
langen, traumlosen Schlaf. Du bist ein Kind, ein verspieltes, glückliches Kind“,
sagte ich nachdenklich. Ich hoffe, Du wirst noch lange in diesem Glück bleiben
dürfen, aber das Leben kann auch ganz anders sein.“
„Das weiß ich doch!“, entgegnetest Du mit
Überzeugung, „Und Du, Du siehst immer alles viel zu schwarz. Kein Wunder, ist
ja auch an Dir alles schwarz. Mach doch mal ein bisschen Farbe in Dein Gesicht
oder Deine Kleidung. Du wirst Dich gleich ganz anders fühlen. Aber vielleicht
liest Du einfach nur zu viel, alles so abgründig und so voll schwerer Gedanken.
Das macht Dir den Kopf schwer und dann ist es klar, dass Du nicht mehr fliegen
kannst.“
„Süße kleine Marlene, Farbe und ich, das
verträgt sich nicht. Natürlich weißt Du, dass es auch anders sein kann, aber Du
hast es noch nicht erlebt, das ist der Unterschied. Hättest Du erlebt, was ich
erlebt habe ...“. doch ich brach ab. Es war nicht notwendig. „Lassen wir es,
und Dich in Deinem glücksverklärten Zustand. Alles wird gut für Dich. Dafür
werde ich sorgen.“ Gedankenverloren strich mit der Hand durch Dein seidiges
Haar.
„Dafür werde ich sorgen. Niemand und nichts
wird Dir weh tun“, fügte ich hinzu. Vielleicht war es härter ausgefallen, als
ich wollte, denn Du setztest Dich ruckartig auf.
„Du machst mir Angst!“, sagtest Du
schlicht.
„Das tut mir leid. Sei ruhig! Alles ist gut
und bleibt es für Dich“, erklärte ich so sanft wie möglich.
Ja, vielleicht könnte man meinen, dass ich
eifersüchtig war, denn ich war ein Schatten neben Dir, kleiner bunter
Schmetterling mit den glänzenden und so verletzlichen Flügeln.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen