1402 Anonym (Teil 8):


Fakten



Chefinspektor Krämer saß mit Magdalena März, seiner Kollegin, in einem kleinen Restaurant in der Nähe seines Büros.
„Nun, möchten Sie mir erzählen was Sie über die Familie erfahren haben?“, fragte Chefinspektor Krämer, nachdem sie fertig gegessen hatten, denn er war der Ansicht, dass man immer eine Sache nach der anderen tun sollte. Nun, da er satt war, konnte er seiner Kollegin seine ungeteilte Aufmerksamkeit widmen, die auch pflichtbewusst ihr Tablet auspackte, um ihre Notizen zu öffnen.
„Die Tote heißt Marlies Merkado. In ihren Kreisen war sie als Marlene bekannt. Sie war gerade mal 20 Jahre alt, aber es wurde ihr eine große Zukunft vorausgesagt. Damit ist es jetzt ja wohl vorbei“, begann Magdalena März zu berichten.
„Zukunft als was?“, unterbrach sie der Chefinspektor, während er seinen Kaffee umrührte.
„Als Darstellerin, wurde mir gesagt. Was auch immer das heißen mag“, antwortete Magdalena März, während sie sich fragte warum Max Krämer ständig in seinem Kaffee umrührte, wo er weder Zucker noch Milch hineingegeben hatte, „Ihre Schwester, Beatrix O’Fallon, und unsere Hauptverdächtige, ist zehn Jahre älter.  Die letzten zehn Jahre verbrachte sie in Irland. Nach dem Tod ihres Vaters, Stefan Merkado, hat sie sich mit Conor O’Fallon vermählt und hat Hals über Kopf das Land verlassen. Ihre kleine Schwester überließ sie die Obhut eines Internates. Nur in den Ferien fuhr Marlies regelmäßig zu ihrer Schwester nach Irland.“
„Was war mit der Mutter?“, unterbrach Max Krämer abermals.
„Das ist eine interessante Geschichte. Stefan und Anna Merkado waren mehr als ein Ehepaar. Sie scheinen so etwas wie eine symbiotische Beziehung gehabt zu haben. Man könnte sagen, Anna Merkado war ihrem Mann hörig. Zu seinem Geburtstag schickte sie die Mädchen zu einer Tante um mit ihrem Mann alleine zu sein. Offenbar wollte sie sehr intensiv feiern und besorgte Kokain. Dieses jedoch war gestreckt. Allerdings nicht mit den gängigen Zusatzstoffen, sondern mit Strychnin. Stefan Merkado war sofort tot. Andere meinen Anna Merkado hatte das Strychnin zugesetzt. Sie hatte vor mit ihrem Mann zu sterben, damit sie ihn endlich ganz für sich hatte, doch sie war so paralysiert, als sie ihn tot vor sich liegen sah, dass sie nichts mehr machen konnte. Das meint zumindest ihr Psychiater. Die Mädchen fanden den toten Vater und die Mutter, die in einem Stuhl saß und unentwegt sagte, dass er doch nur schlafe. Seitdem ist sie in der Psychiatrie“, erzählte Magdalena März.
„Die Mutter hat also den Vater ermordet“, fasste Max Krämer prosaisch zusammen.
„Kann man so sagen. Nur belangt kann sie dafür nicht werden, da sie – wie gesagt – nicht zurechnungsfähig ist“, entgegnete Magdalena März.
„Und wenn sie das nur gespielt hatte?“, fragte Max Krämer nachdenklich.
„Seit zehn Jahren?“, fragte Magdalena März, „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das zehn Jahre lange durchhält. Schließlich wird sie regelmäßig untersucht. Aber eines ist sicher, Mord scheint in der Familie zu liegen. Angeblich hat Beatrix das Temperament ihrer Mutter geerbt, das heißt die Bedingungslosigkeit und wohl auch Rücksichtslosigkeit in allem was sie tut. Damit komme ich zum zweiten Mord. Gestern abend, so erzählte Martin Rosenzweit, der unter dem Künstlernamen Le Point Noir bekannt ist, dass er sie gestern zum ersten Mal seit zehn Jahren gesehen hatte. Nach seiner Darstellung hatte Beatrix in vor zehn Jahren einfach im Stich gelassen und war quasi in ihre Ehe geflohen, mit diesem Verleger. Allerdings glaubte sie, dass Martin Rosenzweig sie versetzt hatte. Er war gerade auf dem Weg zum Treffpunkt, als er von einem betrunkenen Autofahrer angefahren wurde. Monatelang war er im Krankenhaus, doch vor allem hatte er keine Möglichkeit Beatrix eine Nachricht zukommen zu lassen, denn sie war auf und davon, und Martin selbst wurde Tag und Nacht von seiner Mutter bewacht, die von Anfang an gegen die Beziehung war.“
„Eine Frau von schnellem Entschluss“, fasste Max Krämer zusammen, „Es erscheint mir immer wahrscheinlicher, dass sie es wirklich getan hat, und dennoch, die Frau, die ich kennenlernte war zwar kühl, aber ganz und gar nicht emotional, als wäre der Tod ihrer Schwester etwas, was mit ihr nichts zu tun hatte. Das passt nicht ganz ins Bild.“


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