So vieles kann geschehen
Chefinspektor
Krämer rührte noch immer in seinem Kaffee um, und Magdalena März beobachtete
den Löffel.
„Nun, zum
eigentlichen Mordabend“, nahm Chefinspektor Krämer den Faden wieder auf,
„Fassen wir noch einmal zusammen was wir wissen.“
„Laut Aussage von
Martin Rosenzweig holte er Marlies Merkado gegen 18.00 Uhr vom Haus ihrer
Schwester und seiner ehemaligen Geliebten, Beatrix O’Fallon, ab“, begann Magdalena März ihren
Bericht, „Die beiden fuhren dann direkt zum Haus des Künstlers, in dem sich
auch sein Atelier befindet. Er wollte einen Akt von ihr malen. Deshalb war die
Tote auch nackt. Nach seinen Angaben rief ein Freund an. Er plauderte ein paar
Minuten mit diesem und als er ins Atelier zurückkam, fand er Marlies Merkado
tot vor, mit der Haarnadel direkt ins Herz gestoßen. Die Hände waren um den
Schaft der Haarnadel gelegt. Es sollte wohl nach Selbstmord aussehen.“
„Gut, die
Selbstmordtheorie können wir leider noch immer nicht ganz ad acta legen. Auch
wenn sie einige Schönheitsfehler aufweist. So viel ich in Erfahrung gebracht
habe war Marlies Merkado ein lebenslustiges Mädchen, das knapp vor dem ganz
großen Durchbruch stand. Sie hatte keine finanziellen Sorgen und wohl auch
keine emotionalen Probleme. Zumindest weist nichts darauf hin. Dazu kommt noch
der fehlende Abschiedsbrief. Das sagt zwar nicht viel, aber meiner Erfahrung
nach haben Selbstmörder fast immer das Bedürfnis ihre Tat zu erklären. Als
müssten sie sich im Nachhinein dafür noch rechtfertigen“, ergänzte Chefinspektor
Krämer, „Also, der Künstler fand sie, merkte, dass sie tot war und rief weder
um Hilfe noch die Polizei.“
„Also zumindest
nicht sofort“, ergänzte Magdalena März, „Schon eine eigentümliche Geschichte,
finden Sie nicht auch? Er behauptete, er hätte sie zuerst noch gezeichnet,
zumindest einige Skizzen angefertigt, und uns erst dann verständigt. Moment,
ich habe seine Aussage da. Ich lese sie schnell vor: ‚Als ich Marlene da liegen
sah, so blass und ruhig und atemberaubend schön, mit diesem Ding, das aus ihrem
Körper ragte, das wie ein kleiner Dolch aussah und ich merkte, dass sie sowieso
tot war und niemand mehr ihr helfen konnte, da musste ich sie einfach zeichnen.
Wie oft hatte ich mir gewünscht, dass ich eine Tote malen könnte. Und das war
auch das schönste Abschiedsgeschenk, die ich ihr machen konnte. Ich ehrte sie,
noch in ihrem Tod. Sie war so schön und ich habe sie so sehr geliebt. Wie hätte
ich ihr da was antun können?’ Das waren seine Worte. Und auf die Frage ob es
dann nicht logisch gewesen wäre, dass er ihren Tod herbeigesehnt, ja ihn
herbeigeführt hatte, um eben das in die Tat umzusetzen was er schon lange
machen wollte, nämlich eine Tote zu malen, da meinte er nur, dass er es zwar
gewünscht hatte, aber das noch lange nicht bedeutet, dass er nachgeholfen
hätte.“
„Martin
Rosenzweig hatte also die Gelegenheit, allerdings kein wirklich brauchbares
Motiv. Dennoch, es muss jemand gewesen sein, den Marlies Merkado kannte, denn
sonst wäre sie wohl kaum so ruhig sitzengeblieben und hätte sich einfach
erstechen lassen“, resümiert Chefinspektor Krämer, „Sicher, sie hatte viele
Bekannte, aber wie viele hätten sich ihr nähern können, wenn sie nackt war.
Eigentlich bleibt dann nur noch ihre Schwester, Beatrix O’Fallon. Die behauptet
zwar zu Hause gewesen zu sein und dazwischen nur mal kurz mit dem Hund, ach ja,
und der Besuch der ominösen Nachbarin – wie hieß sie noch gleich?“
„Clara O’Neill“,
half Magdalena März aus.
„Richtig. Auch
eine Irin. Treffen die sich seit Neustem im Waldviertel? Aber wie dem auch
immer sein mag. Die müssen wir noch vernehmen, aber davon verspreche ich mir
nicht viel. Jedenfalls schaut die Dame, also die Schwester, praktischer Weise
niemals auf die Uhr, wie sie sagte“, erklärte Chefinspektor Krämer.
„Doch vor allem
hatte sie ein starkes Motiv: Eifersucht“, meinte Magdalena März, „Als sie
erkannte, dass ihre eigene Schwester den Mann liebte, der ihr vor Jahren das
Herz gebrochen hatte, wollte sie ihn zurück, koste es was es wollte. Sie fuhr
ihnen hinterher und schlich sich ins Haus, was nicht schwer ist, da die
Haustüre nie abgeschlossen ist, wie der Herr Maler ausgesagt hat. Sie wartet
bis ihre Schwester alleine ist, immer noch ohne Plan, und geht zu ihr hinein.
Sie wechseln ein paar Worte. Beatrix macht Marlies Vorwürfe. Diese macht sich
darüber lustig und da greift Beatrix in ihr Haar und nimmt die Haarnadel heraus
und ersticht sie. Dann geht sie.“
„Ja, durchaus
möglich“, sagte Chefinspektor Krämer sinnend, „Und dennoch, es gefällt mir
nicht. Außerdem fehlen uns noch die Beweise.“
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