Eine neue Spur?
„Was denken Sie
von der Mutter? Kann sie irgendetwas mit der Sache zu tun haben?“, fragte
Chefinspektor Krämer seine Mitarbeiterin Magdalena März. Die smarte Frau mit
den kurzen schwarzen Wuschelhaaren und den sanften Augen, die eigentlich so gar
nicht zu ihrem Naturell passten, stand am Fenster des Büros und sah
nachdenklich in den Regen hinaus.
„Seit zehn Jahren
bewacht sie ihren Mann, von dem sie meint, dass er schläft. Als ich ihr vom Tod
ihrer Tochter erzählte meinte sie nur, sie wäre froh, denn so könne die Tochter
ihren Vater nicht mehr wecken“, erzählte Magdalena März was sie erfahren hatte.
„Also hat sie ein
Motiv“, entgegnete Chefinspektor Max Krämer nüchtern.
„Man könnte es so
nennen, aber sie ist seit zehn Jahren nicht aus der Anstalt hinausgekommen und
sie hatte darüber hinaus keinen Kontakt zu ihren Töchtern“, erklärte Inspektor
März, „Aber was das betrifft habe ich etwas Interessantes gefunden. Auf dem
Nachtkästchen der Mutter lag ein Stapel Briefe. Bei näherer Betrachtung
erkannte ich, dass diese Briefe zwar den Absender der Tochter Beatrix trugen,
aber in Wien abgestempelt worden waren. Ich fragte die diensthabende
Psychiaterin danach, Dr. Valentina del Gardo. Als erst tat sie so, als würde sie
davon nichts wissen, aber letztendlich gab sie doch zu, dass sie die Briefe
geschrieben hatte, damit die arme Frau nicht ganz den Kontakt zur Außenwelt
verlieren sollte, und es war gar nicht so schwer, denn in einschlägigen Kreisen
gab es immer viele Neuigkeiten rund um den Verlag und die Person Beatrix
O’Fallon. Sie war so was wie ein Star in der Szene, allerdings hat sie selbst
nichts mehr gemacht, seit mindestens drei Jahren. Angeblich hat sie eine
Blockade und sich ansonsten nur mehr dem Verlag gewidmet. Vor drei Jahren hat
Conor O’Fallon ihr den Verlag übergeben und sich völlig aus dem Geschäft
zurückgezogen um sich ganz und gar seinem Hobby zu widmen, dem Whiskey.“
„Also ein
Säufer?“, fragte Chefinspektor Krämer nach.
„Nein, Erzeuger“,
widersprach Magdalena März.
„Aber seltsam ist
das doch, das mit den Briefen meine ich. Eine äußerst unprofessionelle
Vorgangsweise von der Fr. Doktor, finde ich“, fuhr Chefinspektor Krämer fort.
„Durchaus. Die
ganze Beziehung scheint ein wenig seltsam. Ich habe mir erlaubt eine kleine Kamera
im Zimmer von Anna Merkado zu installieren. Vielleicht erfahren wir so mehr“,
teilte Inspektor März mit.
„Auch nicht ganz
koscher, aber nun gut. Apropos Briefe. Ich habe auch was Interessantes
entdeckt. Marlies Merkado erhielt kurz vor ihrem Tode auch anonyme Briefe. Zwei
Stück. Eine sehr markante Handschrift. Der erste war eine Art Liebeserklärung
in Reimform und der zweite eine ganz offensichtliche Drohung. Vielleicht ist
das unser Täter“, mutmaßte Chefinspektor Krämer.
„Sie meinen,
verschmähte Liebe. Kein schlechtes Motiv. Wissen wir wer sie geschrieben hat?
Fanden sich Fingerabdrücke?“, fragte Inspektor März.
„Natürlich nicht,
ich meine, außer die der Empfängerin“, erklärte Chefinspektor März, und dachte,
dass es doch manchmal nett wäre, wenn es einem der Täter so einfach machen
würde.
„Jetzt haben wir
also drei mögliche Täter“, sagte Magdalena März seufzend, „Einen davon haben
wir sicher in Gewahrsam. Die zweite sitzt auf ihrer Couch und bewegt sich nicht
vom Fleck, als hätte sie nichts zu verbergen. Und den oder die dritte kennen
wir nicht. Ein äußerst interessanter Fall.“
Und während die
beiden Polizisten die Briefe eingehend studierten ob sie nicht doch noch etwas
fanden, irgendetwas, was sie übersehen haben könnten, bekam Anna Merkado
Besuch. Eine weißgekleidete Frau öffnete so leise wie möglich die Türe, trat
ein und schloss die Türe ebenso geräuschlos. Schweigen hing im Raum wie
Spinnfäden.
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