2802 Anonym (Teil 16):


Letztendlich


Chefinspektor Krämer und Inspektor März fuhren vor. Lässig sprangen sie aus dem Auto. Einer links und eine rechts. Es bestand kein Grund zur Eile, denn Beatrix O’Fallon hatte keine Absicht gezeigt sich zu entziehen. Aber sie fanden das Haus leer vor. Keine Beatrix O’Fallon.
„Verdammt. Ist sie doch ausgeflogen?“, meinte Chefinspektor Krämer verärgert, „Sollte ich mich so geirrt haben?“
„Ich glaube nicht“, entgegnete Inspektor März, „Hätte sie sonst die Haustüre offengelassen?“
„Da haben Sie recht. Die Türe war offen und der Hund ist auch weg. Wo könnte sie nur sein?“
„Vielleicht ist sie spazieren gegangen, oder hinüber zur Nachbarin“, mutmaßte Inspektor März.
„Wir versuchen es bei der Nachbarin“, erklärte Chefinspektor Krämer, und sie gingen über den Hügel zum Haus der Nachbarin. Als sie das Haus sahen fragten sie sich warum sie das eigentlich nicht schon viel früher getan hatten. Irgendetwas war merkwürdig an diesem Haus, was ihnen natürlich nicht bewusst sein konnte, nachdem es hinter dem Hügel versteckt lag.
„Fällt Ihnen was auf?“, fragte Chefinspektor Krämer endlich.
„Ja, es sieht haargenau so aus wie das Haus von Beatrix O’Fallon.
„Richtig“, zeigte sich Chefinspektor Krämer zufrieden.
Sie fanden die Türe nur angelehnt und traten leise ein. Die Hunde spielten wohl hinten im Garten, so dass sie nicht anschlugen. Die beiden Polizisten blieben neben der Türe stehen. Stumm wies Inspektor März ihren Vorgesetzten auf einen Spiegel hin, der es ihnen ermöglichte das Wohnzimmer einzusehen ohne dass sie sich von der Türe wegbewegen mussten. Sie erkannten zwei Frauen. Eine saß auf der Couch und wandte dem Spiegel den Rücken zu, während die andere geschäftig im Raum herumging. Ohne Zweifel handelte es sich um Beatrix O’Fallon. Inspektor März wollte schon hineingehen, doch sie fühlte sich zurückgehalten, so dass sie in der Bewegung innehielt.
„Hier ist der Abschiedsbrief“, hörten sie mich sagen und dann sahen sie die Haarnadel in meiner Hand, doch immer noch verharrten die beiden auf dem Beobachterposten. Erst als ich auf mein Opfer zuging und mein Arm zum finalen Stich ausholte stürmten sie ins Zimmer. Ich hätte mein Werk vollendet, wenn nicht dieser verdammte Köter gewesen wäre, der mich in die Hand biss, so dass ich die Nadel fallen ließ. Im selben Moment standen die Polizisten vor mir, doch ich hob die Haarnadel auf, so schnell, dass sie nicht reagieren konnten und bohrte sie in mein eigenes Herz.
„Ein schöner Schlamassel“, stellte Chefinspektor Krämer lapidar fest, „Unsere Mörderin hat sich selbst gerichtet.“ Da erst fiel ihm auf, dass die Frau, die auf der Couch saß haargenau so aussah wie die, die sie wie selbstverständlich für Beatrix O’Fallon gehalten hatten.
„Wer sind Sie?“, fragte Inspektor März verwirrt.
„Beatrix O’Fallon“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Und wer ist die Tote?“, fragte nun Chefinspektor Krämer.
„Aoife Vaughan, ehemalige Mitarbeiterin meines verstorbenen Mannes“, antwortete ich kurz. Ich erzählte alles was ich wusste, und natürlich wurde meine Geschichte von der Polizei überprüft, so dass sie sich letztendlich als wahr erwies. Ich lebte weiter, nun mit zwei Hunden Baba und Babu. Meine Schwester war tot. Ich hatte die Chance nicht genutzt die Zeit nachzuholen, die ich versäumt hatte. Es ist nicht möglich. Niemals ist es möglich irgendetwas nachzuholen. Ich lud Martin zum Tee ein, und wir sprachen über meine Schwester. Wie anders wäre es wohl gekommen, wenn ich damals nicht Hals über Kopf davongelaufen wäre? Nichts lässt sich nachholen. Ich verabschiedete ihn an der Türe. Meine Blockade war vorbei. Endlich hatte ich wieder Ideen für meine Geschichten.

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