Franz F.
Franz F. jun.,
nicht verwandt oder verschwägert mit jenem Franz Ferdinand, der – nun sagen wir
mal so – kein schönes Ende gefunden hat, was auch immer man darunter verstehen
mag, sondern ein ganz normaler Mensch, Bürger, Steuerzahler und Sohn. Franz F.
jun. war ein braves Kind, ruhig, gelassen, lächelnd. Seine Mutter legte die
Schürze ab, zog sich etwas Hübsches über und entband. Dann war er da und sie
legte die Schürze wieder an. Franz F. jun. war der große Stolz seines Vaters,
Franz F. sen. Als der Sohn geboren ward, holte Franz F. sen. die lange und gut
gehütete Havanna aus dem Humidor und gab seinen Freunden eine Runde aus. Dann
zahlte er und ging nach Hause. Die Schlapfen standen bereit, die Zeitung lag am
Tisch und das Essen hatte genau die richtige Temperatur. Es war immer so.
Allerdings kam er auch jeden Tag zur selben Zeit nach Hause. Seine Frau konnte
sich danach richten. Doch an diesem Tag hatte er sich verspätet. Trotzdem war
es seiner Frau gelungen das Essen lange genug auf Betriebstemperatur zu halten.
Das sind eben die kleinen Feinheiten, die gute von schlechten Ehefrauen scheiden.
Lächelnd stellte sie ihm sein Essen hin. Wie gewohnt setzte sie sich ihm
gegenüber, während er die Zeitung durchblätterte. Es könnte ja sein, dass er
ihr etwas zu sagen hatte. Dann musste sie doch da sein. Dafür ließ sie gerne
alles andere beiseite und hängte sogar die Schürze an den Haken. Vielleicht
forderte er sie auch auf ihm was zu erzählen. Dem würde sie auch gerne
nachkommen. Erst, wenn Franz F. sen. seine Mahlzeit beendet hatte und seinen
Aufenthaltsort in den Fernsehsessel verlagerte, den er auch bis zur
Schlafenszeit nicht mehr zu verlassen gedachte, erst da band sie sich die
Schürze wieder um und kam ihrer Arbeit nach. Alles musste an seinem rechten
Platz sein. Erst dann konnte sie die Schürze wieder ablegen. Franz F. jun. war
brav, ruhig und pflegeleicht, als Baby, als Kindergartenkind und auch als
Schüler. Niemals setzte er sich irgendeinem Tadel aus, denn was man ihm zu tun
aufgab, das tat er, ohne Wenn und Aber. So wie sich seine Mutter morgens die
Schürze umband, so ging er morgens zur Schule, kam zu Mittag nach Hause, wo das
Mittagessen auf ihn wartete. „Immer das, was er gerne mag, der Bub“, pflegte
seine Mutter zu sagen. Überhaupt schien ihr Tag von den Mahlzeiten strukturiert
zu sein. Um fünf stand sie auf um für ihren Mann das Frühstück herzurichten.
Dann ging sie wieder zu Bett. Um sieben machte sie Frühstück für ihren Sohn. Um
zwei aß ihr Sohn zu Mittag und um sechs war das Abendessen bereitet für Ihren
Mann. Eines Abends kam er nach Hause und meinte, dass er ausziehe, zu einer
anderen Frau. Dann aß er sein Abendessen. Seine Frau wusch sich die Hände,
trocknete sie an ihrer Schürze und packte den Koffer für Ihren Mann. Den Rest
würde er holen lassen. Dann war er weg. Franz F. jun. war vierzehn. Er merkte
es erst eine Woche später. Der Rasierpinsel fehlte im Badezimmer. Seine Mutter
band sich die Schürze wieder um und ging daran ihren Kuchen fertig zu backen.
Allmählich pendelte sich alles wieder ein, denn die neue, junge Frau, mit der
Franz F. sen. nun zusammen lebte, konnte weder kochen und hielt auch nicht viel
davon, ihm hinterherzuräumen. So kam er bald regelmäßig wieder, zum Essen oder
um Wäsche zu bringen, im schmutzigen Zustand oder die gewaschene und gebügelte
wieder zu holen. „Bei uns war das eben so“, pflegte Franz F. jun. Mutter zu
sagen, „Man hat für die Seinen zu sorgen. Jeder hat seinen Platz. So habe ich
es gelernt und so mache ich es auch.“ Es war so einfach, dass es kein
Missverständnis geben könnte. Franz F. jun. machte Matura und suchte sich eine
Arbeitsstelle. Diese fand er bei der Post. „Ein guter Posten“, meinte seine
Mutter, „Da kann Dir nichts passieren.“ Und sie kochte weiter und bügelte und
wusch und sorgte für ihren Sohn. Tagaus tagein trug sie ihre weiße Schürze.
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