Eine Weile tot
Ich höre wie ein
Tablett abgestellt wird, auf dem niedrigen Tisch, der neben der Couch steht.
Langsam öffne ich die Augen.
„Möchtest Du auch
eine Tasse Tee mit uns trinken?“, fragt die Frau, die neben mir gelesen hatte.
„Ich denke, ich
mag Tee“, antworte ich und setze mich vorsichtig auf, um den Herrn mit dem
Presslufthammer in meinem Kopf nicht weiters zu verärgern, der nun offenbar
eine Pause eingelegt hat.
„Ich heiße
übrigens Lana, und das ist Nona“, erklärt sie, während sie mir eine Tasse
hinstellt, „Milch und Zucker?“
„Nur Milch“,
antworte ich automatisch, „Mein Name ist Viktor. Wie bin ich hierhergekommen?“
Ein leises Lächeln huscht über mein Gesicht, denn eigentlich hatte ich erwartet, dass ich mit
Fragen bestürmt werden würde, doch nun war es umgkehrt.
„Wir fanden Dich
bei einem Spaziergang“, antwortet Lana leichthin,
„Cora hat Dich
gefunden, wenn Du es ganz genau wissen willst“, verbessert Nona.
„Wer ist Cora?“,
frage ich erstaunt.
„Unsere Irish
Wolf Hündin“, entgegnet Nona und weißt auf etwas, was ich bisher nicht wirklich
wahrgenommen hatte, doch jetzt sehe ich es. Lang ausgestreckt liegt sie vor dem
Kamin, groß wie ein Kälbchen, doch sie wirkt ruhig und friedlich.
„Also, wir sind
spaziergegangen und haben uns wohl ein wenig verplaudert, da kamen wir zu dem
kleinen Weiher und daneben ist eine kleine Steinbrücke. Dort musst Du gefallen
sein. Zumindest machte es für uns den Eindruck““, erklärt nun Nona.
„Du hattest
wirklich großes Glück, denn Du warst ohnmächtig geworden, lagst aber mit dem
Gesicht nicht im Wasser. So sahen wir, dass Du zwar verletzt warst, aber nicht
lebensgefährlich“, ergänzt Lana.
„Und deshalb
haben wir beschlossen Dich mitzunehmen“, schließt Nona.
„Ihr habt mich
bis hierher getragen?“, frage ich erstaunt.
„Ach wo. Wir
gingen zurück, holten das Auto und damit Dich. Cora hat inzwischen auf Dich
aufgepasst. Sie macht das wirklich sehr gut“, sagte Nona mit fester
Überzeugung, und wie als wenn sie gewusst hätte, dass es um sie geht, hebt die
Hündin den Kopf und blickt langsam und müde in unsere Richtung, doch nicht
lange. Dann schließt sie die Augen wieder. Dieser Hund flößt mir doch eine
gehörige Portion Respekt ein.
„Und gerade
vorhin haben wir erfahren, dass Du eigentlich tot sein solltest. Jetzt haben
wir uns gefragt, ob Du das wolltest? Ich meine nicht gerade tot, aber einfach
mal auf und davon und untertauchen. Du wärst nicht in London aufgetaucht, doch
jetzt stehen die Dinge anders, und deshalb ist unsere Frage, ob Du nicht für
eine Weile offiziell tot sein willst“, versucht mir Nona zu erklären, und ich
erfasse sofort was sie meint.
„Abstand gewinnen
und ein wenig darüber nachdenken ob ich in mein altes Leben zurückkehren will
oder nicht. Einfach mal nicht Ich sein“, versuche ich zusammenzufassen.
„Genau das meinen
wir“, sagt Nona lächelnd, „Ich sagte Dir ja, Lana, das ist ein schlauer
Bursche.“
„Soll ich mich
jetzt geschmeichelt fühlen?“, frage ich augenzwinkernd. Es tut gut fröhlich zu
sein. Und der Tee wärmt. Langsam lassen die Schmerzen nach. Ich fühle keinen Druck
mehr auf mir. Leicht und unbelastet sitze ich einfach da und trinke Tee, der
mich von innen wärmt. Vielleicht bleibe ich ein wenig. Vielleicht kehre ich gar
nicht mehr zurück in mein Leben. Es gilt einiges zu überdenken.
„Ich denke, ich
will für eine Weile tot sein“, sage ich, meine Überlegungen abschließend.
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