Ein verhängnisvoller Fehler
Vieles, was einem
am eigenen Leben selbstverständlich ist, ist es für einen anderen ganz und gar
nicht. Das ist wohl alles was es über mein Leben zu berichten gibt, vorerst,
denke ich. Eigentlich nicht viel, was von vierzig Jahren Leben übrig bleibt,
nicht viel, was erwähnenswert scheint.
„Aber wo war denn
nun der gravierende Fehler?“, fragt Lana, und ich bemerke, dass ich es tatsächlich
unter den Tisch fallen ließ. Aber wer erzählt schon gerne von seinen Fehlern?
„Es war ein,
streng genommen, kleiner Schnitzer, doch er wirkte sich verhängnisvoll aus.
Dabei geschah es aus purer Eitelkeit, umso peinlicher für einen Mann in meiner
Position“, beginne ich das Geständnis meiner eigenen Unzulänglichkeit, „Ich
sagte ja, ich habe in diesem Jahr Jasmin kennengelernt, und aus irgendeinem,
mir heute unverständlichen Grund, meinte ich sie beeindrucken zu müssen. Sie
ist eine ebenso starke und erfolgreiche Frau wie meine Mutter es war, nur dass
sie neben sich auch andere Menschen außer den Kindern duldet und auch annimmt.“
„Letztendlich
suchtest Du also die Anerkennung Deiner Mutter, die nicht mehr in der Lage war
sie Dir zu geben“, unterbricht mich Nona leichthin. Ich sehe sie entgeistert
an. Warum ist mir das noch nie aufgefallen, während all der Jahre, was dieses
Mädchen, das mich gerade mal ein paar Stunden kennt, so selbstverständlich und
leicht dahinsagt?
„Du hast
wahrscheinlich recht“, räume ich ein, „Und ich dachte mir immer, ich sei so
hellsichtig was Menschen betrifft, nur bei mir selbst bin ich offenbar blind.“
„Das ist nichts
Ungewöhnliches“, entgegnet Lana, „Man neigt dazu Dinge auszublenden, die man
nicht sehen will. Ich denke, es ist wohl auch nicht von ungefähr gewesen, dass
Du Dich so schnell mit einer anderen Frau verbunden hast. ‚Bis dass der Tod
Euch scheidet’ – das verspricht man vor dem Altar, aber die Eltern-Kind-Bindung
braucht solch ein Versprechen nicht, weil man aus dieser Rolle nicht
herauskommt, wahrscheinlich auch noch über den Tod hinaus, denn wir bleiben
wohl immer die Kinder unserer Eltern oder die Eltern unserer Kinder. Es lebt in
uns, unausweichlich und oft folgenschwer. So wie wir uns selbst nicht entkommen
können, so auch nicht unseren Beziehungen, die in uns leben und uns wohl auch
bis zu einem gewissen Grad formen. Du wolltest auf diese Sicherheit offenbar
nicht verzichten. Sehe ich das richtig?“ Lächelnd sah sie mich an.
„Und was soll
verkehrt daran sein? Was hätte ich mir vorzuwerfen?“, brause ich unvermittelt
auf, ohne selbst den Grund zu wissen. War es die Erkenntnis, die ich nicht
wollte?
„Es ist gar
nichts verkehrt daran“, versucht Lana mich zu beschwichtigen, „Es ist nur
wichtig zu sehen um sich selbst besser zu verstehen, vor allem, dass Du wohl
ein wenig was über das ausländische Konsortium ausgeplaudert hast, und sei es
nur das Symbol.“
„Und es klingt
mir ganz nach einem Konsortium, das – wie soll ich das sagen – sich nicht
unbedingt immer im engen Rahmen der Legalität bewegt“, setzt Nona hinzu.
„Ja, das ist so“,
sage ich, und vor lauter Verblüffung vergesse ich darauf wütend zu sein, „Aber
woher wisst ihr das?“
„Wir sagten ja,
das ist unser Job. Du erinnerst Dich?“, entgegnet Nona nun, verschmitzt lächelnd,
„Eigentlich das selbe was Du machst, nur machen wir es im Leben und nicht mit
Daten.“
„Und seitdem
verfolgt mich dieses Konsortium. Ich habe mir nie wieder einen Fehler erlaubt,
nie wieder irgendetwas über meine Arbeit preisgegeben, doch das lässt mich nicht
mehr los.“
Nie wieder in
meinem Leben hatte ich solche Angst wie damals, als mir der Mann einen Besuch
abstattete, der Mann mit dem Symbol am Handgelenk.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen