0104 Vergessen (Teil 8):


Das Symbol


Diese Angst hatte etwas Lähmendes, denn ich konnte niemals sagen wann sie zuschlagen. Doch die Gefahr war immer präsent, und es musste auch nicht heute oder morgen sein. Oft konnten viele Jahre vergehen. Zeit genug, um sich in Sicherheit zu wiegen, doch dann kam es, wie ein Schlag sus heiterem Himmel über einen, wenn man nicht mehr damit rechnete.
„Vielleicht war es das, was ich gesehen habe, dort am Flughafen, was mich so in Panik geraten ließ“, mutmaße ich nun.
„Das klingt natürlich sehr plausibel. Versuch Dich zu erinnern“, sagt Nona abwägend.
„Ich zermartere mir schon die ganze Zeit das Hirn. Das einige was mir einfällt ist eine Hand. Möglich, dass es das Symbol war, aber das war immer an der Innenseite des Handgelenkes eintätowiert und ich kann noch nicht einmal sagen ob mir diese Hand, die mich schaudern ließ, den Rücken oder die Innenfläche zeigte. Es war auf jeden Fall schlimm genug, dass ich Hals über Kopf davonlief, dabei bin ich normalerweise gar nicht kopflos. Es kann eigentlich gar nichts anderes gewesen sein. Und doch, ich kann es nicht sagen, nicht mit letzter Gewissheit. Es war so unwirklich, und doch gleichzeitig so deutlich ...“, finde ich mich selbst in meinen Gedanken nicht mehr zurecht.
„Was ist das für ein Symbol, das sie am Handgelenk tätowiert haben?“, fragt Lana nach.
„Ein schlichtes Pentagramm“, erwidere ich kurz.
„Also ein relativ unscheinbares Symbol. Wir haben uns längst daran gewöhnt. Unsere Welt ist überfrachtet von Symbolen. Es fällt eigentlich nicht weiter auf. Auch Tätowierungen nimmt man kaum mehr wahr, weil sie so überhand nehmen und selbst in der guten Gesellschaft, in der sogenannten, keine Ächtung mehr finden. Aber ich würde sagen, Du lässt es jetzt einmal ruhen. Vielleicht kommt es noch“, versucht Lana mich zu beruhigen, „Wir haben jetzt was zu erledigen.“
„Ach, haben wir das?“, entgegnet Nona stirnrunzelnd, „Und was bitte soll das sein?“
„Wir fahren am Flughafen und schauen mal was dort los ist“, erklärt Lana wie selbstverständlich, „Ich weiß ja nicht ob das funktioniert, wenn Du nicht auf der Boarding Liste stehst.“
„Ich stehe aber drauf“, gebe ich zurück, „Ich habe das kurz einmal gemacht.“
„Wie hast Du das gemacht?“, fragt Nona erstaunt.
„Hör mal, das ist mein Geschäft, und die Sicherheitsvorkehrungen bei den Daten am Flughafen sind alles andere als berauschend, also zumindest für meine Begriffe“, erkläre ich, nicht ohne ein klein wenig Stolz, wie ich zugeben muss.
„Dann wäre das ja geklärt“, wirft Lana ein, „Aber jetzt lass uns fahren. Wir sollten sehen wie die Lage ist.“
„Wirst Du noch da sein, wenn wir zurück kommen?“, fragt Nona unvermittelt und sieht mich skeptisch an.
„Wo soll ich denn hingehen?“, frage ich, und versuche meiner Aussage einen scherzhaften Unterton zu verleihen, doch ich merke, dass es mir nicht gelingt. Es klingt eher nach dem sprichwörtlichen Lachen, das im Hals stecken bleibt. Mir wird nämlich bewusst, dass sie mich hier allein lassen wollten, und was wäre, wenn es wiederkommt. Wohin könnte ich jetzt noch fliehen? Vielleicht war es wirklich einer vom Konsortium, der mich davonlaufen sah und sie haben mich verfolgt, bis hierher, und warteten nun nur auf eine Gelegenheit mich alleine anzutreffen. Niemand würde irgendetwas merken, wenn ich nun wirklich verschwände, denn ich hatte ja alles vorbereitet, war offiziell tot. Ich hatte ihnen also quasi den Weg geebnet. Mir schaudert bei dem Gedanken.
„Und mach Dir keine Sorgen, Cora ist da und passt auf“, sagt Lana ernst, als hätte sie meine Gedanken gelesen, „Und Du darfst das Mädchen nicht unterschätzen. Sie wirkt zwar träge und gutmütig, aber das heißt nichts.“
Und damit gehen sie fort. Es ist dennoch ein seltsames Gefühl. Ich sehe nochmals zu dem Hund hinüber, der vor dem Kamin schläft. Es wirkt gar nicht danach, dass Cora sich durch irgendetwas aus der Ruhe bringen ließe, aber kann der Eindruck nicht täuschen? Ich versuche mich selbst damit zu beruhigen.

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