Am Flughafen
Wenige Minuten
später erreichen Nona und Lana den Flughafen. Es herrscht reges Treiben, wie
immer. Leute kommen an und fliegen ab. Nichts ändert sich, auch nicht durch ein
Unglück. Man nimmt es zur Kenntnis. „Schrecklich, das so etwas passieren kann“
oder „Die armen Angehörigen, wenn jemand von meiner Familie in dieser Maschine
gesessen wäre ...“, wobei man offen lässt was dann gewesen wäre. Man wartet
vergebens auf die Vollendung dieses Satzes. Man wendet sich ab und geht den
Dingen nach, denen man nachzugehen hat. Warum auch nicht. Man kann nichts
besser machen, wenn man sich nur einen Moment länger als notwendig damit
befasst. Allerdings sind das auch immer wieder die Dinge, die sich wunderbar in
Gesellschaft breittreten lassen. Mit sensationslüsternem Blick, Geifer im
Mundwinkel stößt man hervor: „Hast Du schon gehört? Ist das nicht schrecklich?
So viele Tote.“ Ja, man sagt es ist schrecklich, aber worüber würden wir reden,
wenn es all diese herrlichen Schrecklichkeiten nicht gäbe?
„Sieh nur, dort
müssen wir hin“, sagt Nona und zieht Lana hinter sich her, die sich ein wenig
unwohl fühlt. Sie hasst Orte, an denen viele Menschen sind, und hier sind
entschieden viele Menschen. Es ist ihr einfach zu viel. Überall wuselt es und
sie kann es nicht überblicken, geschweige denn einen Zusammenhang erkennen. Das
widerspricht ihrem methodischen Geist am allermeisten, diese
Zusammenhanglosigkeit. Und während Lana damit beschäftigt ist in dieser, ihr so
unangenehmen, Lage nicht unterzugehen, lässt sie sich von Nona willenlos durch die
Halle führen. Endlich erreichen sie einen Schalter, der offenbar dafür da ist
den Angehörigen der Passagiere, die im explodierten Flugzeug saßen,
Anlaufstelle zu sein. Ungefähr eine halbe Stunde später steht nur mehr eine
blonde, hochgewachsene Frau vor ihnen. Lana, immer noch mit sich selbst
beschäftigt, lässt es teilnahmslos geschehen, doch Nona ist aufmerksam.
„Guten Tag!“,
sagt die blonde Frau vor ihnen, „Mein Name ist Jasmin Klenk. Mein Mann Viktor
sollte in der Maschine gewesen sein.“
Was wie eine
Frage klingt, ist nun Gewissheit. Ein leichtes Kopfnicken der Stewardess
genügt, Wortlos dreht sich die Frau um und geht.
„Bitte, was kann
ich für Sie tun?“, wendet sich die Stewardess nun an Lana und Nona.
„Danke, Sie haben
uns schon geholfen“, antwortet Nona rasch und folgt der blonden Frau, Lana
immer noch im Schlepptau.
„Entschuldigen
Sie!“, sagt Lana kurz, als sie Jasmin Klenk anspricht, „Wir kommen von der
Firma, für die Ihr Mann arbeiten sollte, also in London und wurden nun
hierhergeschickt um zu sehen ob ...“ Lana brach ab, aber es genügt. Traurige,
blaue Augen sehen sie teilnahmslos an, die Augen einer Frau, die gerade eben
erfahren hat, dass ihr Mann nicht mehr wiederkommt, weil er unausweichlich tot
ist, aber auch Lana wird nun aufmerksam, weil sie gerade erfahren hat, dass sie
für eine Firma arbeiten. Aber für was für eine? Für einen Moment vergisst sie
ihr Unbehagen und erwartet gespannt die Reaktion der Frau des Mannes, der
wohlbehalten bei ihnen zu Hause auf der Couch sitzt. Am liebsten hätte sie ihr
alles gesagt, aber das geht nicht, noch nicht.
„Würden Sie mit
uns einen Kaffee trinken?“, schlägt Nona vor, und schweigend suchen sie sich
einen abgelegenen Tisch im nächsten Caféhaus.
„Für welche Firma
arbeiten Sie?“, fragt Jasmin Klenk.
„Das dürfen wir
Ihnen leider nicht verraten“, erwidert Nona so prompt, als hätte sie sich ihre
Antwort ganz genau überlegt, „Geheimhaltung, Sie verstehen?“
„Ja, ich weiß.
Bei meinem Mann war immer alles geheim, aber eigentlich ist es jetzt auch schon
egal“, meint Jasmin resigniert.
Und als Lana kurz
aufsieht, sticht ihr ein Symbol ins Auge, das ihr bestätigt, dass Viktor wohl
die Wahrheit gesagt hat, ein Pentagramm.
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