Schweigen ist Gold?
Jasmin rührt in
ihrem Kaffee um. Es ist, als wäre sie verloren darin, als möchte sie weder
zurück noch nach vorne sehen, ja als würde sie sich wünschen, dass sie jetzt
und jetzt aus diesem Alptraum geweckt werden würde. „Wie soll ich das nur den
Kindern erklären?“, denkt sie betrübt, „Was gibt es daran überhaupt zu
erklären?“ Dabei steht sie sich wohl am meisten selbst im Weg, denn irgendetwas
sagt ihr, dass ihr Mann, der Vater ihrer Kinder noch lebt. Natürlich weiß sie
diese Reaktion sehr gut einzuordnen, nachdem sie als Psychiaterin sehr oft mit
Trauerarbeit konfrontiert ist. Wäre sie nun selbst einer ihrer Patienten würde
sie es als Stufe der Verleugnung bezeichnen. Natürlich spricht alles gegen ihre
These. Viktor wollte dieses Flugzeug nehmen. Er steht auch auf der Boarding
Liste, so dass er eigentlich auch in das Flugzeug gegangen sein musste, und
dennoch sträubt sich alles in ihr dagegen das anzuerkennen. Natürlich weiß sie
über seine Fähigkeiten Bescheid. Schließlich kennt sie ihn schon lange genug.
„Wie er damals eine Vorrückung machen wollte in der Warteliste der Wunschschule
ihres ältesten Sohnes“, denkt sie und ein leichtes Lächeln huscht bei diesem
Gedanken über ihre Züge, aber nur ganz kurz, denn da sie aufblickt, sieht sie
die beiden Frauen, die angeblich für die Firma arbeiten, die Viktors Dienste in
Anspruch nahm. Aber was sagt ihr, dass das auch stimmt? Oder ist das das erste
Anzeichen einer Paranoia?
Lana beobachtet
so unauffällig wie möglich den Mann mit dem Pentagramm., während Nona ihren
eigenen Gedanken nachhängt. Es schreit förmlich in ihr danach Jasmin die
Wahrheit zu sagen. „Ihr Mann lebt, Ihr Mann, der Vater Ihrer Kinder“, möchte
sie sagen, doch was wenn es stimmt, wenn er wirklich in Gefahr schwebt. Jede
Information, die sie an seine Frau weitergeben würde, würde auch diese und ihre
Familie in Gefahr bringen. Doch andererseits hat sie nach Nonas Ansicht ein Recht
auf Information. Doch was wiegt schwerer, der Wunsch nach Sicherheit oder das
Recht auf Information? Viktor will es, eine Zeit lang soll alles danach
aussehen, als wäre er tot, doch Nona weiß nicht warum er das will. Natürlich um
sich selbst in Sicherheit zu bringen, doch das zu überlegen fällt sehr viel
leichter, wenn keine trauernde Ehefrau zugegen ist.
„Warum
interessieren Sie sich für meinen Mann?“, fragt Jasmin plötzlich, „Ich meine, normalerweise
wird doch wohl keine Delegation geschickt, sondern höchstens ein Billet.“
„So ein Billet
wäre doch etwas hoch Offizielles“, räumt Lana ein, „Und unser Besuch ist nicht
offiziell. Ganz im Gegenteil, wir sind aus eigenem Antrieb gekommen. Nicht nur
um Ihnen Unterstützung anzubieten, falls Sie diese in Anspruch nehmen wollen,
sondern auch weil uns persönlich viel an Ihrem Mann liegt oder besser lag. Er
arbeitete schon lange für uns, aber wir waren wohl diejenigen, mit denen er am
engsten zusammen arbeitete. Dazu kommt noch, dass er uns einmal wohl den Posten
rettete, weil wir einen unverzeihlichen Fehler begingen. Seitdem fühlen wir uns
in seiner Schuld stehend.“
„Schuld ist kein Kriterium,
und selbst wenn, dann wäre sie mit seinem ...“, Jasmin ringt nach Worten, „Nun,
jetzt erledigt, unter diesen Umständen.“
„Ganz und gar
nicht“, widerspricht Lana entschieden, „Gerade jetzt soll sich erweisen was ein
Versprechen wert ist, und wir haben ihm versprochen alles Notwendige zu tun um
ihm zu helfen, falls es eines Tages nötig wird, und nun verlagert sich die
Hilfe einfach nur.“ Endlich ist ein Terrain erreicht, in dem Lügen nicht mehr
notwendig sind, denn sie haben Viktor versprochen ihm zu helfen. Die beiden
atmen auf, denn sie haben den Eindruck nochmals die Kurve genommen zu haben und
nun frei reden zu können.
„Er hat uns von
seiner Mutter erzählt“, beginnt nun Nona vorsichtig, „Und wir sind inzwischen
überzeugt, dass sie nicht starb, weil sie einen Fehler begangen hat, sondern
sie wurde ermordet.“
Jasmin hebt den Blick verwirrt, aber fest: „Davon
bin ich völlig überzeugt!“
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