0404 Vergessen (Teil 11):


Schweigen ist Gold?


Jasmin rührt in ihrem Kaffee um. Es ist, als wäre sie verloren darin, als möchte sie weder zurück noch nach vorne sehen, ja als würde sie sich wünschen, dass sie jetzt und jetzt aus diesem Alptraum geweckt werden würde. „Wie soll ich das nur den Kindern erklären?“, denkt sie betrübt, „Was gibt es daran überhaupt zu erklären?“ Dabei steht sie sich wohl am meisten selbst im Weg, denn irgendetwas sagt ihr, dass ihr Mann, der Vater ihrer Kinder noch lebt. Natürlich weiß sie diese Reaktion sehr gut einzuordnen, nachdem sie als Psychiaterin sehr oft mit Trauerarbeit konfrontiert ist. Wäre sie nun selbst einer ihrer Patienten würde sie es als Stufe der Verleugnung bezeichnen. Natürlich spricht alles gegen ihre These. Viktor wollte dieses Flugzeug nehmen. Er steht auch auf der Boarding Liste, so dass er eigentlich auch in das Flugzeug gegangen sein musste, und dennoch sträubt sich alles in ihr dagegen das anzuerkennen. Natürlich weiß sie über seine Fähigkeiten Bescheid. Schließlich kennt sie ihn schon lange genug. „Wie er damals eine Vorrückung machen wollte in der Warteliste der Wunschschule ihres ältesten Sohnes“, denkt sie und ein leichtes Lächeln huscht bei diesem Gedanken über ihre Züge, aber nur ganz kurz, denn da sie aufblickt, sieht sie die beiden Frauen, die angeblich für die Firma arbeiten, die Viktors Dienste in Anspruch nahm. Aber was sagt ihr, dass das auch stimmt? Oder ist das das erste Anzeichen einer Paranoia?
Lana beobachtet so unauffällig wie möglich den Mann mit dem Pentagramm., während Nona ihren eigenen Gedanken nachhängt. Es schreit förmlich in ihr danach Jasmin die Wahrheit zu sagen. „Ihr Mann lebt, Ihr Mann, der Vater Ihrer Kinder“, möchte sie sagen, doch was wenn es stimmt, wenn er wirklich in Gefahr schwebt. Jede Information, die sie an seine Frau weitergeben würde, würde auch diese und ihre Familie in Gefahr bringen. Doch andererseits hat sie nach Nonas Ansicht ein Recht auf Information. Doch was wiegt schwerer, der Wunsch nach Sicherheit oder das Recht auf Information? Viktor will es, eine Zeit lang soll alles danach aussehen, als wäre er tot, doch Nona weiß nicht warum er das will. Natürlich um sich selbst in Sicherheit zu bringen, doch das zu überlegen fällt sehr viel leichter, wenn keine trauernde Ehefrau zugegen ist.
„Warum interessieren Sie sich für meinen Mann?“, fragt Jasmin plötzlich, „Ich meine, normalerweise wird doch wohl keine Delegation geschickt, sondern höchstens ein Billet.“
„So ein Billet wäre doch etwas hoch Offizielles“, räumt Lana ein, „Und unser Besuch ist nicht offiziell. Ganz im Gegenteil, wir sind aus eigenem Antrieb gekommen. Nicht nur um Ihnen Unterstützung anzubieten, falls Sie diese in Anspruch nehmen wollen, sondern auch weil uns persönlich viel an Ihrem Mann liegt oder besser lag. Er arbeitete schon lange für uns, aber wir waren wohl diejenigen, mit denen er am engsten zusammen arbeitete. Dazu kommt noch, dass er uns einmal wohl den Posten rettete, weil wir einen unverzeihlichen Fehler begingen. Seitdem fühlen wir uns in seiner Schuld stehend.“
„Schuld ist kein Kriterium, und selbst wenn, dann wäre sie mit seinem ...“, Jasmin ringt nach Worten, „Nun, jetzt erledigt, unter diesen Umständen.“
„Ganz und gar nicht“, widerspricht Lana entschieden, „Gerade jetzt soll sich erweisen was ein Versprechen wert ist, und wir haben ihm versprochen alles Notwendige zu tun um ihm zu helfen, falls es eines Tages nötig wird, und nun verlagert sich die Hilfe einfach nur.“ Endlich ist ein Terrain erreicht, in dem Lügen nicht mehr notwendig sind, denn sie haben Viktor versprochen ihm zu helfen. Die beiden atmen auf, denn sie haben den Eindruck nochmals die Kurve genommen zu haben und nun frei reden zu können.
„Er hat uns von seiner Mutter erzählt“, beginnt nun Nona vorsichtig, „Und wir sind inzwischen überzeugt, dass sie nicht starb, weil sie einen Fehler begangen hat, sondern sie wurde ermordet.“
Jasmin hebt den Blick verwirrt, aber fest: „Davon bin ich völlig überzeugt!“

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