Gleichsam aus dem Nichts ...
Lana und Nona
sind am Flughafen und ich allein, zumindest ohne menschliche Gesellschaft. Der
Presslufthammer arbeitet nicht mehr in meinem Kopf, doch ich fühle mich nach
wie vor schwach und so verbraucht. Ich schließe die Augen, denn ich fühle mich
sicher. Als ich sie wieder öffne fällt mein Blick auf eine dunkle Gestalt am
Kamin. Sie hat mir den Rücken zugewandt und blickt ins Feuer. Ich spüre wie
Panik in mir hochsteigt. Warum nur hat Cora nichts dagegen einzuwenden, dass
dieser Mann da am Kamin steht?
„Ich muss von
Euch weggehen. Ich bringe Euch in Gefahr“, höre ich eine Stimme in meinem Kopf,
von ganz weit her kommt sie. Der Mann aus meiner Erinnerung kehrt mir auch den
Rücken zu. Ich sehe mich selbst mit ungefähr fünf Jahren. Der Mann kniet vor
mir und hat meine Arme gepackt, als wollte er mich zwingen ihn anzusehen, doch
ich weiß noch, dass ich nicht viel sehe. Tränen glitzern in meinen Augen, die
ich tapfer hinunterschlucken möchte. Es ist schwer für einen fünfjährigen
Jungen zu verstehen was in die Erwachsenenwelt gehört.
„Aber warum
können wir nicht mitkommen Papa?“, höre ich mich selbst sagen, mit gebrochener
Stimme.
„Weil es
gefährlich ist, aber mach Dir keine Sorgen, ich werde Euch beschützen, auch
wenn ich nicht da bin“, versichert mir der Mann. Seine Hand fühlt sich seltsam
an auf meinem Arm, als würde etwas fehlen, und ich blicke auf die eine Hand des
Mannes. Das ist es, der Finger, der fehlt. Der rechte Zeigefinger ist
abgetrennt. Das war es, was ich am Flughafen gesehen hatte ohne es wirklich
einordnen zu können.
„Ich war immer
da“, sagt der Mann leise, als hätte er gespürt, dass ich aufgewacht bin, oder
vielleicht sagt er es nur zu sich selber.
„Was willst Du?“,
frage ich. Meine Stimme fühlt sich rau an, gebrochen, auch wenn ich mein
Möglichstes tue um ihr einen festen Nachdruck zu verleihen. Vergebens.
„Ich bin da, wie
ich es immer war, um Dich zu beschützen“, erklärt mir der Mann, der wohl mein
Vater sein muss, den ich aber dennoch nicht als solchen zu erkennen vermag.
Viel Zeit ist vergangen, seit ich ihn das letzte Mal sah, viel zu viel Zeit.
„Ach ja? Und
warum ist meine Mutter dann tot?“, frage ich gereizt, „Das war wohl nicht viel
mit beschützen!“ Meine Stimme überschlägt sich, und ich möchte doch so gerne
souverän und kühl wirken. Es ist lange her und es macht mir nichts mehr aus,
dass mein Vater mich im Stich gelassen hat, so glaube ich zumindest, aber meine
eigene Reaktion belehrt mich eines Besseren.
„Das stimmt. Ich
habe versagt“, gibt er unumwunden zu, „Zumindest bei meiner Frau habe ich
versagt, doch Dich habe ich bis jetzt nicht verloren. Immerhin.“
„Als wenn das
nicht reichen würde!“, entgegne ich schnippisch.
„Du kannst mir
glauben, Euch allein zu lassen, war das größte Opfer, das ich je erbringen
musste, doch es galt entweder alle oder nur ich. Ich entschied mich für Euch zu
opfern, mein Leben und meine Identität aufzugeben.“
„Ich denke, Du
hast mir ein wenig mehr zu erklären, wenn ich Dir diese Schmierenkomödie
abkaufen soll!“, werfe ich ein, immer noch wütend. Langsam dreht er sich zu mir
um, geht die paar Schritte hinüber und setzt sich in den Lesesessel, in dem
zuvor Nona saß. Er sieht mich an. Sein Blick durchdringt mich, doch ich
versuche ihn abzuwenden. Vielleicht überlegt er noch, ob er es wagen kann näher
zu kommen, doch er lässt es bleiben, noch.
„Gut, ich werde
es Dir erzählen. Ich denke, Du hast ein Recht darauf“, entscheidet er, „Und ich
auch.“
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