1504 Vergessen (Teil 16):


Verfolgung


Gerade eben noch saßen sie beisammen, tranken Kaffee und hörten sich ihre Geschichten an. Nona und Lana erzählten ihre erfundene und Jasmin eine rührende. Doch war sie deshalb wahrer als die andere? Könnte sie nicht auch erfunden, zurechtgezimmert worden sein?
„Was erwartest Du Dir eigentlich von dieser komischen Verfolgungsjagt?“, fragt Lana unwillkürlich.
„Ich spüre da so etwas, etwas, das mich stutzig macht. Ich habe eine Ahnung, dass uns Jasmin belogen hat und ihre Beziehung zu Viktor, nun – sagen wir mal so – nicht nur persönliche Gründe hat“, versucht Nona zu erklären.
„Und was für Gründe, bitte schön, könnte es denn sonst geben, als persönliche“, gibt Lana spitz zurück, „Und überhaupt, geht das nicht ein wenig präziser, ein klein wenig zumindest.“
„Also gut, nachdem Du offenbar mal wieder nicht aufgepasst hast, muss ich Dir alles nacherzählen“, sagt Nona seufzend, „Wenn Du Jasmin genau beobachtet hättest, dann hättest Du bemerken müssen, dass sie zwar vorgab traurig zu sein, wohl auch irritiert, doch letztendlich ruhig und gelassen. Ihre Hände waren nicht fahrig, ihr Blick stet und ihre Lippen versteckten ständig ein Lächeln. Das war nicht nur eine Ahnung, das war eine Teilnahmslosigkeit zumindest auf emotionaler Ebene. Was sie dennoch in Unruhe versetzte war das, was sie Gewissheit nannte bezüglich seines Ablebens. Ja, es wirkte, als wäre sie beunruhigt, dass er noch leben könnte und nicht, dass er nicht lebte.“
„Weißt Du was Du da sagst?“, entfährt es Lana unwillkürlich.
„Natürlich, Du müsstest mittlerweile wissen, dass ich immer genau weiß was ich sage. Ich teile Dir meine Beobachtungen mit und die unumgänglichen Schlüsse, die daraus gezogen werden müssen. Logisch gesehen gibt es keine andere Möglichkeit“, erwidert Nona gelassen, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, was es wohl auch für sie ist.
„Nein, ich meine, Du unterstellst ihr doch nichts anderes, als dass sie gegen ihren Mann arbeitet“, stellt nun Lana fest, und scheint so dermaßen geschockt, als würde es Verrat und Betrug auf der Welt nicht geben.
„Wie wunderbar, wie süß naiv Du doch bist. Dafür liebe ich Dich“, erwidert Nona mit einem zuckersüßen Lächeln, „Und das nach all dem, was wir miteinander schon erlebten, kannst Du Deinen Glauben daran immer noch aufrechterhalten, dass Eheleute treu und aufrecht zueinander stehen, dass Kinder ihre Eltern ehren usw. usf. Es fasziniert mich immer wieder. Einerseits beneide ich Dich ja darum die Welt so positiv sehen zu können, aber andererseits wirst Du Dir damit immer den Blick auf die Wahrheit verstellen.“
Das Taxi hält. Die Unterhaltung stockt, denn Nona und Lana springen aus dem Wagen und schaffen es gerade noch zu sehen, dass Jasmin mit dem Unbekannten ein Lokal betritt. Sie folgen den beiden, so rasch und unauffällig wie möglich. Der Mann mit dem Pentagramm trennt sich von Jasmin und steuert einen Platz am Fenster an, als wollte er die Umgebung im Auge behalten, während Jasmin in einer Nische Platz nimmt. Rasch schieben sich Lana und Nona in die Nebennische, wo sie weder von Jasmins Platz aus noch von dem des Mannes gesehen werden können.
„Und was meinst Du, ist er tot?“, hören sie eine männliche Stimme aus der Nebenloge. Der Mann versucht zwar seine Stimme zu dämpfen, aber sie ist zu durchdringend, als dass es gelingen würde.
„Nein, Sixtus, ich fürchte nicht“, hören sie die Stimme Jasmins unmissverständlich, „Ich weiß nicht wie er es gemacht hat. Ich denke ja, er hat die Maschine gar nicht erst betreten. Aber warum?“
„Irgendjemand muss ihn gewarnt haben“, entgegnet der Mann, den sie Sixtus nannte, „Irgendwer hat uns verraten.“

Keine Kommentare: