Verfolgung
Gerade eben noch
saßen sie beisammen, tranken Kaffee und hörten sich ihre Geschichten an. Nona
und Lana erzählten ihre erfundene und Jasmin eine rührende. Doch war sie
deshalb wahrer als die andere? Könnte sie nicht auch erfunden, zurechtgezimmert
worden sein?
„Was erwartest Du
Dir eigentlich von dieser komischen Verfolgungsjagt?“, fragt Lana
unwillkürlich.
„Ich spüre da so
etwas, etwas, das mich stutzig macht. Ich habe eine Ahnung, dass uns Jasmin
belogen hat und ihre Beziehung zu Viktor, nun – sagen wir mal so – nicht nur
persönliche Gründe hat“, versucht Nona zu erklären.
„Und was für
Gründe, bitte schön, könnte es denn sonst geben, als persönliche“, gibt Lana
spitz zurück, „Und überhaupt, geht das nicht ein wenig präziser, ein klein
wenig zumindest.“
„Also gut,
nachdem Du offenbar mal wieder nicht aufgepasst hast, muss ich Dir alles
nacherzählen“, sagt Nona seufzend, „Wenn Du Jasmin genau beobachtet hättest,
dann hättest Du bemerken müssen, dass sie zwar vorgab traurig zu sein, wohl
auch irritiert, doch letztendlich ruhig und gelassen. Ihre Hände waren nicht
fahrig, ihr Blick stet und ihre Lippen versteckten ständig ein Lächeln. Das war
nicht nur eine Ahnung, das war eine Teilnahmslosigkeit zumindest auf
emotionaler Ebene. Was sie dennoch in Unruhe versetzte war das, was sie
Gewissheit nannte bezüglich seines Ablebens. Ja, es wirkte, als wäre sie
beunruhigt, dass er noch leben könnte und nicht, dass er nicht lebte.“
„Weißt Du was Du
da sagst?“, entfährt es Lana unwillkürlich.
„Natürlich, Du
müsstest mittlerweile wissen, dass ich immer genau weiß was ich sage. Ich teile
Dir meine Beobachtungen mit und die unumgänglichen Schlüsse, die daraus gezogen
werden müssen. Logisch gesehen gibt es keine andere Möglichkeit“, erwidert Nona
gelassen, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, was es wohl auch
für sie ist.
„Nein, ich meine,
Du unterstellst ihr doch nichts anderes, als dass sie gegen ihren Mann
arbeitet“, stellt nun Lana fest, und scheint so dermaßen geschockt, als würde
es Verrat und Betrug auf der Welt nicht geben.
„Wie wunderbar,
wie süß naiv Du doch bist. Dafür liebe ich Dich“, erwidert Nona mit einem
zuckersüßen Lächeln, „Und das nach all dem, was wir miteinander schon erlebten,
kannst Du Deinen Glauben daran immer noch aufrechterhalten, dass Eheleute treu
und aufrecht zueinander stehen, dass Kinder ihre Eltern ehren usw. usf. Es
fasziniert mich immer wieder. Einerseits beneide ich Dich ja darum die Welt so
positiv sehen zu können, aber andererseits wirst Du Dir damit immer den Blick
auf die Wahrheit verstellen.“
Das Taxi hält.
Die Unterhaltung stockt, denn Nona und Lana springen aus dem Wagen und schaffen
es gerade noch zu sehen, dass Jasmin mit dem Unbekannten ein Lokal betritt. Sie
folgen den beiden, so rasch und unauffällig wie möglich. Der Mann mit dem
Pentagramm trennt sich von Jasmin und steuert einen Platz am Fenster an, als
wollte er die Umgebung im Auge behalten, während Jasmin in einer Nische Platz
nimmt. Rasch schieben sich Lana und Nona in die Nebennische, wo sie weder von
Jasmins Platz aus noch von dem des Mannes gesehen werden können.
„Und was meinst
Du, ist er tot?“, hören sie eine männliche Stimme aus der Nebenloge. Der Mann
versucht zwar seine Stimme zu dämpfen, aber sie ist zu durchdringend, als dass
es gelingen würde.
„Nein, Sixtus,
ich fürchte nicht“, hören sie die Stimme Jasmins unmissverständlich, „Ich weiß
nicht wie er es gemacht hat. Ich denke ja, er hat die Maschine gar nicht erst
betreten. Aber warum?“
„Irgendjemand
muss ihn gewarnt haben“, entgegnet der Mann, den sie Sixtus nannte, „Irgendwer
hat uns verraten.“
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