Niemand ist eine Insel
Tosend trafen die Wellen auf die
steinigen Abhänge, spritzen auf und stürzten nieder. Still setzte ich mich ins
Gras um dieses Schauspiel zu beobachten, immer und immer wieder aufs Neue zu
sehen, das ruhig werden, neu aufbauen, auftürmen und wieder sinken der Wellen.
Hart schlugen sie an den Felsen, dem es nichts auszumachen schien, doch es ist
wohl nicht die einzelne Welle, die ihn formt und abschleift, sondern tausende
von ihnen, mit Beständigkeit und Nachhaltigkeit. Ich fragte nicht nach der Zeit, da ich die
Wärme der Sonne spürte und die salzhaltige Luft roch. Weitab von zu Hause wohl,
und doch nicht so weit, dass ich es erwartet hatte, was ich hier erlebte, denn
dies schien wie eine andere Welt zu sein, mit seiner Weite, die sich mir rundum
darbot, Weite des Landes, Weite der See, und ich konnte es nicht hindern, dass
ich mich selbst weitete, während mein Blick bis zum Horizont wanderte, um dann
wieder zurückgeholt zu werden vom Tosen der Wellen oder vom Blöcken eines
Schafes.
„Hello“, hörte ich
plötzlich eine raue, doch fröhliche Stimme hinter mir, „Are you the new owner
of the round house?“
„Yes“, antwortet ich kurz,
wobei ich mich fragte woher er das wohl wusste.
„Then we’ll see you at
PT’s“, setzte er noch hinzu, um dann seinen Weg fortzusetzen. Ich konnte nicht
umhin zu fragen was er damit meinte. So kam es dazu, dass wir ein längeres
Gespräch führten, bei dem ich erfuhr, dass es sich hier um einen Ort handelte
mit gerade mal 30 Einwohnern und zwei Pubs. Eines davon gehörte besagtem PT.
Darüber hinaus gab es nichts als einen kleinen Shop, der gleichzeitig
Lebensmittelgeschäft, Drogerie, Hartwarenhandlung und Post war.
„Wo bin ich da nur
hingeraten?“, dachte ich mir, als ich mit meiner kleinen Ausbeute zurück zu
meinem Haus ging. Als ich beim Pub vorbeikam ging mir der Gedanke durch den
Sinn, ich könnte doch mal kurz auf ein Bier oder, noch besser, einen Whiskey einkehren, aber ich ließ es, denn das würde
bedeuten, dass ich dort Menschen begegne, und ich wollte mich abkapseln,
niemanden sehen, aber selbst hier, am
Ende der Welt lebten Menschen, die sich auch ab und an aus ihren Häusern
bewegten und aufeinander trafen und miteinander redeten.
Ich hielt es aus, einige
Tage hielt ich es aus, so lange meine Vorräte reichten. Verbissen verkrallte
ich mich hinter meinem Laptop. Barnabas saß mir gegenüber, neben ihm mein
Münzenvorrat, den ich kaum in Anspruch nahm. Es ist ihm ja schließlich egal ob
ich ihn einschalte oder nicht, dachte ich für mich, und doch merkte ich, dass
ich vermied ihn anzusehen, als wenn ich mich schuldig gemacht hätte. Ich wollte
mich nur verkriechen, selbst vor ihm, aber ihn in den Schrank zu sperren, das
brachte ich nicht fertig. Er tat nichts weiter als da zu sitzen, wie eben eine
Puppe dasitzt, und sah mich an mit seinen starren, leblosen Augen. Tagsüber
hatte ich kein Problem damit, doch nachts, im schwachen Licht des Kamins und
der Bildschirmbeleuchtung bekamen seine Augen durch die Starre etwas
Gespenstisches. Er begann mir Angst zu machen, begann durch meine Träume zu
geistern, doch alles was ich fertig brachte war, ihm den Rücken zuzudrehen. Er
langweilte mich und ich fühlte mich so einsam wie noch nie zuvor, und ich war
wütend, dass ich nicht den Mut hatte es zu ändern, doch eines Abends, als ich
seine Anwesenheit und seinen Blick nicht mehr aushielt, da ging ich wirklich
los, hinaus in die Nacht, vorbei an den Klippen, die Meeresluft tief einatmend,
und mit jedem Schritt, den ich mich von ihm wegbewegte, fühlte ich mich
verlorener. Ganz nahe trat ich an die Klippen heran, bedrohlich nahe. Süßer
Lockruf!
„Komm, lass Dich fallen,
und alles wird gut“, schienen mir die Wellen zuzuraunen.
„Alles gut!, ja, ich will,
dass alles gut wird“, und ich schloss die Augen, bereit mich fallen zu lassen,
„Süße Ruhe ...“
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