Mundus vult decipi, ergo decipiatur[1]
Hans im Glück, das war der
Bursche, der – nach den Gebrüdern Grimm – am Ende seiner Lehrzeit als Lohn
einen kindskopf großen Klumpen Gold erhielt. Damit machte er sich auf die Reise
zu seiner Mutter, während dieser er das Gold in ein Pferd, das Pferd in eine
Kuh, die Kuh in ein Schwein, das Schwein in eine Gans, die Gans in einen
Schleifstein tauschte, den er zuletzt im Brunnen versenkte, um als der
glücklichste Mensch auf der Welt nach Hause zurück zu kehren. Würde man es
heutzutage erzählen, würde es wie folgt lauten:
Hans, seines Zeichens
Fachberater eines Hedge-Fonds (wahlweise eines Equity-Fonds oder jeder anderen
Investmentbank), empfängt den Müller, der eine Anlagemöglichkeit sucht.
„Was besitzen Sie, Herr
Müller“, frag ihn Hans.
„Nichts“, antwortet der
Müller wahrheitsgemäß, der Müller ist und Müller heißt, was sich doch als sehr
praktisch erweist.
„Das ist optimal. Würden
Sie etwas besitzen, dann müssten wir uns was Solides überlegen, aber wenn Sie
nichts besitzen, lässt sich alles daraus machen“, antwortet Hans erfreut.
„Wie bitte soll das
gehen?“, fragt nun der Müller, der nicht recht versteht, wobei es auch nicht
leicht zu verstehen ist und im Normalfall wird sich auch jeder hüten es zu
erklären.
„Nun, ganz einfach. Wir
sagen mal, Sie veranlagen einen Klumpen Gold, einen kindskopf großen Klumpen
Gold ...“, beginnt Hans, als er schon wieder unterbrochen wird.
„Aber ich sagte doch
gerade, dass ich nichts habe, geschweige denn einen Klumpen Gold“, protestiert
der Müller.
„Genau, weil wenn Sie ihn
hätten, bräuchten Sie mich ja nicht, aber ich bitte fortfahren zu dürfen“, und
ein strenger Blick trifft den Müller, der sofort verstummt, „Wir schreiben ein
Zertifikat für den Klumpen Gold. Dieses Zertifikat verkaufen wir weiter und kaufen
uns damit in die Landwirtschaft ein, z.B. ein Pferd. Das Pferdezertifikat
nehmen wir und bleiben in der Branche. Das fällt weniger auf. Dafür bekommen
wir sicher ein Kuhzertifikat und das Kuhzertifikat verkaufen wir und kaufen
dafür ein Zertifikat für eine Gans, womit wir dann das Zertifikat für einen
Mühlstein erwerben, und dieses dann anzünden. Und alle haben gewonnen“, erklärt
Hans, und lehnt sich zufrieden in seinen Schreibtischstuhl zurück, während er
überlegt ob er nicht einen Kaffee ordern sollte, als Belohnung quasi für diese
großartige Geschäftstaktik.
„Alle gewinnen? Was habe
ich davon?“, wagt es sich nun der Müller doch wieder zu Wort zu melden.
„Ganz einfach, mittlerweile
sind dann die Schulden so groß, dass wir eigentlich in Konkurs gehen müssten.
Nachdem der Staat aber Angst hat, weil wir zu groß dafür sind, bekommen wir
Steuergelder zugeschossen um uns zu konsolidieren. Die Bürger zahlen ja gerne,
dann bekomme ich einen satten Bonus und Sie Ihren Klumpen Gold zurück“, erklärt
Hans.
„Aber wie soll man dem
Steuerzahler erklären, dass Ausgaben für Bildung und Soziales gestrichen
werden, nur um Ihren Bonus und meinen Klumpen Gold zu zahlen?“, fragt der
Müller, immer noch verwirrt, festgefahren in überkommenen Ansichten von Gut und
Böse.
„Der Steuerzahler bekommt
das Märchen von den verlorenen Arbeitsplätzen und der Systemrelevanz
präsentiert, und wenn dann die Milliarden fließen, dann fällt mein Bonus und
Ihr Klumpen Gold gar nicht ins Gewicht. So sind alle glücklich, denn alle
bekommen was sie wollen. Und der Steuerzahler weiß wofür er arbeitet“, erklärt
Hans, und bestellt sich endlich seinen Kaffee.
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