Es passiert ganz unverhofft
Wir begegneten uns, immer wieder. Es war unvermeidlich, da
wir zu tun hatten, an diesem Ort. Natürlich, Du oder ich hätten auch früher
oder später dort hinkommen können, doch es ergab sich immer wieder, dass wir
zur gleichen Zeit hinkamen. Nicht, dass wir es darauf angelegt hätten oder uns
dezidiert verabredeten, es passierte einfach, aber ich weiß noch, ich begann
irgendwann mich über dieses Passieren zu freuen, auch wenn wir nichts weiter,
als ein paar Belanglosigkeiten austauschten. Wir grüßten einander, ein paar
Worte wurden gewechselt, und dann gingen wir wieder auseinander. Ich wusste
nichts von Dir, außer dass Du auch hierherkamst und wie Du aussahst. Doch eines
Tages, da war es anders, da passierte etwas, und es passierte ganz unverhofft.
Wieder einmal trafen wir aufeinander, grüßten einander, und
ich war schon im Begriff mich umzudrehen und wieder zu gehen, als ich
innehielt, in meiner Bewegung und in meinem Blick, der Dich traf.
„Ich war gerade im Begriff einen Kaffee trinken zu gehen,
dort, in dem Café nebenan. Hättest Du Lust mich zu begleiten?“, fragte ich, und
wusste nicht warum. Ich bin normaler Weise nicht der Typ eigentlich fremde
Menschen anzusprechen und sie ins Café oder sonstwohin zu bitten, doch es war
mir, als wärst Du mir nicht fremd, sondern vertraut, in diesem Moment, obwohl
ich nichts weiter von Dir wusste, eigentlich.
„Gerne“, antwortetest Du nur, und wir gingen hinüber, und es
passierte etwas, und es passierte ganz unverhofft.
Wir setzten uns. Es war noch früh am Vormittag und wenige
Leute waren in dem Lokal. Dennoch hatten wir, ohne uns darüber abzusprechen,
den gleichen Tisch gewählt, ganz am Rand, so dass es möglich war ungestört zu
reden. Ein wenig hielten wir uns noch an die Konvention, tauschten Namen und
Lebensumstände aus, doch dann glitten wir in die Tiefe unserer Gedanken und
nahmen einander mit, öffneten uns einander zu und fanden Annahme. Da war so
viel Verstehen und so viel Gleichklang, so viel was uns verband. Es war wie
Magie, und gleichzeitig so selbstverständlich, dass wir einander Einblick
schenkten in Gedanken und Empfindungen, die wir sonst vor der Welt verborgen
hielten.
„Noch nie hatte ich mich derart anvertraut“, verrietst Du
mir.
„Noch nie hatte ich mich derart anvertrauen können“, verriet
ich Dir.
„Ich kann Dir nicht sagen, warum ich das getan habe. Es war
nur so eine Sicherheit, dass ich mich Dir anvertrauen kann“, gabst Du zu.
„Ich kann Dir auch nicht sagen, warum ich das getan habe. Es
war nur so eine Sicherheit, dass ich bei Dir Annahme finde“, gab ich zu.
Und es passierte etwas, und es passierte ganz unverhofft.
Mittlerweile sind wir seit Jahren befreundet, und oft denke
ich an diesen Moment zurück, weil ich nicht verstehe warum gerade wir uns
einander derart anvertrauten und annahmen. So vielen Menschen begegnen wir
tagtäglich, manchen auch immer wieder, und doch geht es niemals über einen
Gruß, ein paar Höflichkeitsfloskeln hinaus, doch manchmal wird aus dieser
Flüchtigkeit eine wahre, innige Begegnung des Anvertrauens und Annehmens.
Vielleicht gibt es daran nichts zu verstehen, nichts zu wissen, sondern einfach
nur zu leben.
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