0403 FastEndZeit (Teil 15):


Der Kreislauf des Lebens


Und die Welt ist dieselbe, in der Wüste und außerhalb der Wüste. In vielen verschiedenen Schattierungen zeigt sie sich uns, immer aufs Neue, doch gleich welchen Teil der Welt wir betrachten, ganz gleich, wo wir uns befinden, überall folgt das Wachsen dem Keimen, die Reifung dem Wachstum und das Vergehen der Reifung. Es ist bei der Pflanze so. Und beim Tier. Und beim Menschen. Immer wieder beginnt im Einzelwesen dieser Kreislauf von vorne und endet in diesem Wesen. Und immer wieder wird Kreis auf Kreis auf Kreis. Wir haben es beobachtet, vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang. Vom Aufgang des Frühlings bis zur friedvollen Ruhe im Winter. Anders ist es in der Wüste und in der Steppe, aber immer ist es ein Kreis, den wir durchwandern. Und diese Kreisläufe greifen ineinander, so dass wir nicht nur unserem eigenen keimen, wachsen, reifen und vergehen beiwohnen, sondern das Vergehen sehen an anderen und das Keimen ebenso. Immer sind wir umgeben von je eigenen Kreisläufen, die vielleicht gerade eben erst begonnen haben oder kurz davor sind zu enden, die in einem anderen Takt laufen, als unser eigener. So lernen wir Abschied zu nehmen und Willkommen zu heißen, lernen zu beschützen und pflegen, zu begleiten und zu führen. Wir lernen das Leben in all seinen Facetten und Möglichkeiten, als je es selbst. Denn die ganze Fülle und Einmaligkeit steckt in der kleinsten, unscheinbarsten Blüte genauso, wie im großen, alles überragenden, überschattenden Baum. Das Prinzip bleibt das gleiche, doch immer aufs Neue lässt es uns staunen, wenn wir bereit sind unsere Augen zu öffnen und zu sehen. Dein Aufruf in die Namhaftigkeit, rief mich auch auf zu beschützen und zu bewahren, zu achten und zu ehren, in allem, das Leben, das sich selbst immer wieder neu präsentiert und formiert. Zu lernen, dass es uns nur so weit dienstbar sein darf, so weit wir diese Dienste wirklich benötigen. Es ist das wahre Ziel der Reifung diese Grenze zu kennen. Bis wohin muss ich das Leben nutzen meine grundlegenden Bedürfnisse zum Leben und Überleben zu befriedigen, und ab wann beginne ich es zu zerstören, meine Lust an der Destruktivität und an der Macht auszuleben. Wenn ich auf einen Grashalm steige, so wird er sich wieder aufrichten, doch das Rückgrat, das ich breche, wird nicht mehr heil. In Freiheit zu leben ist immer zugleich Berechtigung und Auftrag. Berechtigung meine Freiheit zu leben und Auftrag die Freiheit der anderen zu erhalten. Das ist der Grund der Gebote. Ohne Freiheit keine Gebote, und ohne Gebote keine Freiheit. Eigentlich ist es von jeher in uns festgeschrieben. Nur sie auf die Steintafeln zu meißeln ist ein Zugeständnis an unsere Verstocktheit, die uns die Hand vor den Augen übersehen lässt. Manche sind schon so weit das Gebot in ihrem Herzen zu tragen und ihre Hand die Ausführung bewerkstelligen zu lassen. Doch viele von uns sind es noch nicht. Wer nicht genug Kraft in den Beinen hat, braucht einen Stock, auf den er sich stützt. Wer nicht die Gebote in seinem Herzen trägt, der muss sie niedergeschrieben bekommen, dass das Geschriebene ihn an das zutiefst menschliche erinnern. Der Mensch sieht nicht und er hört nicht. Er muss sehend und hörend gemacht werden. Der Mensch kann sehen und hören. Doch er muss es wollen, zu sehen und zu hören. Und so wie er sich auf das Leben einlässt, so lässt er sich auf den ein, der ihn herausrief, und so lässt er sich auf die ein, die er herausrief. Die Namenlosigkeit zu überwinden, ist der erste Schritt in die Freiheit, die dann zurecht meine heißt, so wie ich über meinen Namen verfüge und entscheide, ob ich ihn Dir offenbare und mich darin Dir zu erkennen gebe. Es gibt nichts, was ich nicht verheimlichen könnte. Es gibt aber auch nichts was ins Leben führte, wenn ich ihn verheimliche. Die erste Hybris ist die Verheimlichung, das bewusste Hintanhalten meiner Selbst, das Verstecken vor Dir, wo ich Dich doch verlange. So hat der Mensch begonnen sich dem anderen zu entzweien, dem, der mich rief und dem, den ich rief. Zu entzweien, obwohl wir uns nach nichts mehr sehnten und immer noch sehnen, als nach dem Du, dem ich nahe sein kann, wenn die Freiheit lebt, wenn das Wort lebendig bleibt und das Eigen-sein Anerkennung findet. Dem ich nahe sein kann und der mir nahe sein kann, wenn ich liebend bleibe, wenn Du liebend bleibst. Und der Kreislauf des Lebens ist die fleischgewordene Liebe und das Wort, das Leben schafft.

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