0503 FastEndZeit (Teil 16):


Abwendung


Die fleischgewordene Liebe und das Wort, das Leben schafft, wurde nicht müde, nicht zu sein und nicht zu bleiben, unter uns, verbindend und wertschätzend, wurde nicht müde Dich herauszurufen aus dem Elend der Nichtigkeit in eine Personalität. Wie lange muss ich noch aushalten ich zu sein? Wie lange muss ich noch aushalten in dieser Welt, in dem ich nur das Elend sehe? Kurzsichtig ist der Mensch. Nicht in der Lage des Moments zu sein, zu wahren, zu bleiben. Immer läuft er davon, zumeist vor sich selbst. Vierzig Jahre, und doch sind auch vierzig Jahre nichts weiter als die Aneinanderreihung von Tag auf Tag auf Tag, bis auch diese Jahre um sind, doch er sieht nur die weite Entfernung, und gibt auf. Wäre es besser gewesen nichts zu wissen? Wäre es besser gewesen die Wahrheit zu verheimlichen? Die Ungewissheit ist ebenso rätselhaft wie die Weite, aber nicht so entmutigend. Es könnte sein, jederzeit. Wenn der neue Tag beginnt und die Hoffnung auflebt, dass es heute so weit sein könnte, bis die Sonne untergeht, und wieder eine Hoffnung gestorben ist. Tag um Tag um Tag. Gestorbene auf gestorbene Hoffnung. Wie viele dieser gestorbenen Hoffnungen erträgt der Mensch? Er sehnt sich zurück in die Namenlosigkeit und Unbestimmtheit. Was hat sie ihm den gebracht, die Namhaftigkeit? Es ändert nichts am Elend des Mensch-seins an sich. Aber ich kann mein Elend als meines benennen. Es ist nicht länger irgendeines unter vielen. Aber dennoch begehrt er auf. Herdenvieh zu sein, das ist einfacher, ohne Eigenes, immer mittendrin, mit dabei sein, mit sein und sich nichts versprechen. Doch wenn er benannt wird, dann erhält er ein Versprechen, und er fühlt sich verraten, weil er das Versprechen falsch versteht. Wie ein kleines Kind will er in den Arm genommen werden, getragen, über die Steine hinweg, die auf seinem Weg liegen, dass sie seinen Fuß nicht verletzen, über die Unbilden des Lebens hinweg, dass sie seinen Geist nicht aufrütteln, über die Sehnsüchte hinweg, dass sie seinem Herz nichts anhaben, über die Liebe hinweg, dass sie seinem Herz nichts erleiden lasse. Doch er sieht nicht die Verschwiegenheit in der Vertrautheit, sieht nicht das Werk und die Vollendung an jenem Sonnenuntergang, da er sein Schaffen und sein Bemühen beendet und ein Werk vollendet hat, weil es so weit weg scheint. Viel zu weit weg. So legt er die Hände in den Schoß, und in diesem Schoß verdorren sie, so wie der Schoß selbst, so dass er seine nicht einmal mehr anklagend gen Himmel erheben kann, nicht mehr die Stimme erhebt gegen das Unrecht und die fortwährende Verlassenheit, in der er sich fühlt. Aber der, der ihn rief, der ist da, um ihn, immer, nur will er nicht glauben, dass der Rufende nicht auch sein Werk erbringt. Hände in den Schoß zu legen. Die Verantwortung des Rufenden ist nicht die eines Entmündigenden. Es ist die Verantwortung in die Freiheit zu entlassen, nur die Freiheit ist nicht tragbar, wenn man doch selbst getragen werden will, wenn einem die Last des eigenen freien Lebens zu viel scheint. Dazu seien diese Schultern nicht gemacht, die Verantwortung selbst zu tragen. Dazu seinen diese Füße nicht gemacht, die Freiheit zu durchwandern. Dazu seien diese Hände nicht gemacht, das Werk zu vollenden. Der, der rief muss das alles machen. Er darf nicht stehenbleiben beim Rufen, sondern weitermachen, alles machen. Doch er endet beim Ruf, und bei der Selbstbestimmung. So unerträglich. Gellt in den Ohren, unablässig. Ach hätte er ihn niemals vernommen, den Ruf in die Freiheit, dann wäre er auch nicht verpflichtet gewesen sie zu nutzen. Hätte er niemals erfahren, dass er zur Tat berufen ist, und die Kraft zur Ausführung bekommen hat. Dann hätte er sich nicht entscheiden müssen. Doch er hat ihn vernommen. Immer aufs Neue wird er darauf gestoßen, wenn von ihm verlangt wird Selbst zu sein, doch er sieht auch den anderen Ausweg, den, sich vom Rufenden abzuwenden, dem zuzuwenden, der ihm flüsternd, verführend eingibt, es gäbe einen leichteren Weg. Nichts weiter ist zu tun, als sich abzuwenden von dem, der Dich ins Leben rief, hin zu dem, der ihm ein Leben verspricht, in dem alle Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, ohne die Hände aus dem Schoß nehmen zu müssen. Es klingt so verführerisch. So dass er sich abwendet.

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