0603 FastEndZeit (Teil 17):


Verlorenheit


Wendest Du Dich ab von dem, der Dich in die Namhaftigkeit rief, wendest Du Dich ab, von dem, der Dich zu Dir selbst, Deiner Eigenheit berief, wendest Du Dich ab, von dem, der Dich in Freiheit entsetzte, wendest Du Dich ab, von dem, der Dich ins Leben, in die Liebe rief, dann wendest Du Dich ab von Dir selbst. Leere Hülle in der Du verloren bist. Es ist die Wüste um Dich, und die Wüste in Dir. Du suchst nach etwas, mit dem Du die Leere füllen kannst. Lässt Dich betören, verführen von Nichtigkeit und Vergeblichkeit, lässt Dich einwickeln von falschen Versprechungen, durchschaust nicht die Verlogenheit und die Selbstbezüglichkeit. Deine Zunge lechzt nach Wasser in der Wüste. Deine Eingeweide verlangen nach Nahrung. Zu tränken und zu sättigen. Aber Du siehst nicht, dass es Dein Geist ist, der nach Verbindung lechzt, Deine Seele, die des Anrufes in Einsamkeit entbehren muss und Dein Herz, das des Zuspruchs entbehrend, verhungert. Wenn Du Dich selbst entlässt in die Bedeutungslosigkeit, so bist Du unerreichbar. Bleibst unerreichbar, und doch glaubst Du, dass Du im Haben etwas entbehrst, während Dir Dein Sein entschwindet. Selbst hast Du Dir die Quelle Deiner Existenz entzogen, den Boden Deiner Verwurzelung. Du selbst warst es, der Dich der Verlorenheit preisgegeben hat. Du schreist nach Gerechtigkeit? Du schreist nach Wiedergutmachung? Wer soll Dir Gerechtigkeit bringen für Deine Missetat? Wer soll Dir Wiedergutmachung verschaffen für Dein eigenes Vergehen? Wie ein Kind agierst Du, das sein Spielzeug fallenlässt und dann nach der Mutter schreit, dass es diese wieder repariere. Was sagst Du? Der Boden hat mein Spielzeug zerschellen gemacht und es in tausend Stücke zersplittert. Die Luft hat es nicht aufgefangen und auf den Boden fallen lassen. Der Wind hat es meiner Hand entrissen. Doch niemals erwägt es, dass es selbst es fallen ließ. Du hast Dich abgewandt, aber Du sagst, es ist die Sonne, die mich verdorrt und der Wind, der mich vertrocknet und die Nacht, die mich frieren lässt, aber niemals sagst Du, dass allem die Abwendung in die Verlorenheit aus dem Ruf voranging. Niemals bringst Du es in einen Zusammenhang. Du lachst über das Kind, das nichts versteht. Du lachst nicht über Dich, der Du nichts verstehst. Augen hast Du, und kannst doch nicht damit sehen. Ohren hast Du, und kannst doch nicht damit hören. Einen Mund hast Du, und findest doch nicht die richtigen Worte, das richtige Wort. Denn Deine Augen sehen nur äußerlich und Deine Ohren verstehen nur äußerlich, und Dein Gesagtes bleibt an der Oberfläche. Du tauchst nicht mehr ein. Das Wasser des Lebens, das Dich umströmte und annahm, zärtlich, liebevoll, hast Du verwandelt in Eis und eine spiegelnde Oberfläche, in der Du nur mehr Dich selbst siehst. Hundertfach. Tausendfach. Und Dein Leid ist Dein eigenes. Und Dein Schmerz ist Dein eigener. Lindere mein Leid, forderst Du! Heile meinen Schmerz, verlangst Du! Aber Du hast Dich abgewandt, bist abgeglitten in die Verlorenheit, ohne es zu sehen, ohne es zu spüren. Wann Du aufgehört hast? Es gibt nichts zu erinnern, in einer Welt der Verlorenheit. Es gibt nichts zu verstehen, in einer Welt der Abwendung. Und Du hast begonnen zu bauen, immer mehr und immer höher. Hast begonnen zu horten, Dinge und Menschen. Alles was leer war, hast Du gefüllt und Dich damit bereichert. Nichts durfte bleiben wie es war. Alles musstest Du verändern, nach Deinem Plan, doch so sehr Du auch fülltest und bereichertest und verändertest, Du konntest die Leere in Dir nicht füllen, die Abwesenheit nicht bereichern und die Verlorenheit nicht verändern. Und doch meintest Du, Du müsstest Dich noch mehr anstrengen, noch mehr von dem machen, womit Du einmal begonnen hattest, mehr von dem, was Dich wegbrachte. Du hattest keine andere Wahl, weil Du keine Zeit hattest Dich niederzusetzen und zu besinnen. Jetzt sitzt Du, inmitten des Habens, und nichts gibt es, was Dir angehören würde, wie viel auch immer Dir gehört. Und so sahst Du auch das Leben nicht, das Du entseeltest, so wie Dich selbst. Es ward nichtig und wertlos. Gebrauchsgegenstand unter vielen, inmitten der allumfassenden Verlorenheit.

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