0703 FastEndZeit (Teil 18):


Das Böse


Die Söhne Jifsraels taten weiter das in Seinen Augen Böse, Er gab sie in die Hand der Philister, vierzig Jahre.[1]

Und in der Verlorenheit der Seele liegt das Böse. Nicht im Brechen der äußeren Verpflichtungen, in Lüge und Betrug, in Falschheit und Verderbtheit. Das Böse ist das, was Dich Dich abwenden lässt vom eigentlichen Lebensquell, und die Zurückweisung des Anrufes. Das ist der Ursprung. Lässt sich der Weg zurückgehen, durch die vierzig Jahre in der Wüste, die vierzig Tag der Flut und die vierzig Tage des Regens, bis zum Anfang, bis zu dem Zeitpunkt, da die Abwendung ward und die Verlorenheit begann? Lässt sich etwas ändern, an dem Du festhältst? Besser allemal, meinst Du, ist es das zu haben und zu halten, auch wenn es schlecht ist und dem Leben abträglich, besser als die Unbestimmtheit des Seins. So bleiben Deine Hände verkrampft, verkrallt. Du willst nicht loslassen was sich darinnen befindet, willst die Hände nicht öffnen. Dann, meinst Du, dann wäre alles verloren. Würdest Du die Hände öffnen, dann würdest Du merken, dass sich darin Nichts befindet, und dieses Nichts frisst sich durch die Haut Deiner Hände, frisst sich durch Dein Fleisch, frisst sich durch Deine Knochen, frisst sich durch Deine Eingeweide, nur die Hülle lässt sie ganz, die sie in Besitz nimmt. Würdest Du die Hände öffnen und das Nichts der Nichtigkeit überführen, dann könntest Du, die Finger ausstreckend, Deine Hände in ein Gefäß wandelnd, in das Dir das Geschenk des Lebens gelegt werden könnte, und wenn Du das Gefäß beließest und nicht rasch die Finger darum verschlössest, dann bliebe es Dir, indem Du es weiterschenkst. Es wurde die Wunde heilen, Deiner Haut, Deines Fleisches, Deiner Knochen, Deiner Eingeweide, Deines Herzens, doch Du hast solche Angst, dass Du besitzlos wärest, würdest Du das Haben nicht verschließen, dass Du Dich nicht heilen lassen kannst. Lieber überantwortest Du Dich dem, der Dich unterwirft, übergibst Du Dich dem, der Dich gefangen nimmt, Dir wieder das Joch auf die Schultern legt und Dir abverlangt was auch immer er will, der Dich mit Willkür und Eigennutz beherrscht, als dass Du losließest, um Deiner selbst willen, um Deiner Freiheit willen. Hast Du denn alles vergessen? Hat das Wasser des Regens Dein Gedächtnis ausgewaschen? Hat der Wüstenwind die Bilder verweht? Hat die sengende Sonne Dein Herz gänzlich vertrocknet? Lieber gehst Du in Gefangenschaft des Bösen, als dass Du die Freiheit des Miteinander wählst. Lieber lässt Du Dich knechten und Dich Dir selbst entfremden, bevor Du die Liebe wählst. Und dennoch, trotz allem hat der Ruf nicht nachgelassen. So oft Du ihn zurückweist, so oft kommt er zu Dir zurück. Du bist in Gefangenschaft, doch sie wird enden, nach vierzig Jahren. Du bist dem Bösen verfallen, doch es wird sich wenden, nach vierzig Jahren. So sehr Du auch von der Quelle des Lebens wegbewegst, so tief Du auch fällst, immer ist da ein Auffangen. Es fragt nicht nach Verdienst, nicht nach Einsicht, nicht nach Reue, nur nach Deiner Annahme. Immer ist es da, Rettung, Heilung und Umarmung.

40 – Zeit der Reife, Zeit der Prüfung, Zeit der Erziehung.

Es ist um Deinetwillen, dass Du die Zeit erhältst, zu reifen, zu Dir selbst zu gelangen, zu einem Auge, das sieht, zu einem Ohr, das hört, einem Mund, der das Wort des Lebens zu sprechen vermag, und einem Herz, das versteht. Es ist um Deinetwillen. Der, der Dich ruft, er erwartet Dich, am Ausgang der vierzig Tage ebenso, wie der vierzig Jahre, wenn sie endet, die Zeit der Reife, der Prüfung und der Erziehung. Seine Geduld ist grenzenlos und allumfassend.


[1] Ri. 13,1. Aus: Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig. Gerlingen: Schneider, 1997.

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