Meine Verdienste
Er sprach: Eifrig
geeifert habe ich für Dich, den
Umscharten Gott, - verlassen ja haben die Söhne Jifsraels deinen Bund, deine
Schlachtstätten haben sie zerscherbt, deine Künder mit dem Schwert umgebracht,
ich allein bin übrig, so trachten sie mir nach der Seele, sie hinwegzunehmen.[1]
Die Liebe entzündet das Verlangen, das Verlangen sich den
Bund einzusetzen, alles dafür zu geben, ja gar sich selbst. Das eigene Leben
nicht achtend. Die eigene Seele nicht achtend. Das Herausfallen aus dem Bund
mit dem Rufenden, der Bund zwischen Rufenden und Gerufenen, ist der Atem und
der Herzschlag und das Leben des Gerufenen. Es ist eine Erfahrung, die
unhintergehbar ist. Wenn Du Dich rufen ließt, einstmals, in die Freiheit des
Seins, das sich in Deinem Namen eröffnet, dann kannst Du hinter diese Erfahrung
nicht mehr zurück. Hättest Du sie nie gekannt, hätte Dich der Ruf nicht
erreicht, hättest Du Ohr und Aug dagegen verschlossen, und Du würdest
verbleiben, lebendig tot, in der Namenlosigkeit, dann hättest Du Dich dieser
Erfahrung niemals anvertraut, und Du könntest darin verbleiben, bis in alle
Ewigkeit. Unterschiedslos, ob Du atmest oder nicht. Unterschiedslos für die
anderen, ob Du atmest oder nicht. Doch wenn Du dem Ruf in die Namhaftigkeit
antwortend folgst, dann bist Du zu Dir selbst berufen. Du spürst wie der Atem
Dir Leben bringt. Du spürst wie Dein Herz schlägt. Du spürst wie die Liebe Dich
ummantelt und trägt und behütet, die Liebe die den Namen des Rufenden trägt. Du
spürst Dich indem Du Dich hinöffnest und verströmst und es tausendfach zurück
erhältst. Und Du frohlockst angesichts der Liebe. Und Du stehst auf, wenn Du
bedroht bist. Kennst Du den Namen dessen, der Dich rief? Kennst Du Dein
Antlitz? Das hämische Lachen derer, die in Unfreiheit und Namenlosigkeit
verblieben, dröhnt in Deinen Ohren. Sie wollen Dich vertreiben aus ihrer
Ahnungslosigkeit, aus ihrer Leblosigkeit. Du bist der Stachel im Fleisch ihrer
Gleichgültigkeit. Doch Du stehst auf und trittst ihnen entgegen. Und sie nehmen
Dir das Leben, wenn Du Dich nicht vertreiben lässt und nicht ablässt von der
Namhaftigkeit. Du bist ihre Bedrohung, derer sie sich entledigen müssen. Sie
sind dem Ruf nicht antwortend gefolgt, sie sind nicht den Weg gegangen. Sie sind
nicht gereift und erzogen und geprüft. Du willst sie mitnehmen. Aber sie wollen
nicht hören. Sie wollen sie nur loswerden, diese Bedrohung ihres Einerlei,
ihrer Unhinterfragtheit, ihrer Bedeutungslosigkeit. Deine Freiheit und
Friedfertigkeit ist ihre eigentliche Bedrohung. Nicht das Schwert fürchten sie,
weil sie den Tod nicht zu fürchten brauchen. Nicht den Befehl fürchten sie,
weil sie nichts anderes kennen. Nicht die Unfreiheit fürchten sie, weil sie
sich darin eingerichtet haben. Was sie fürchten ist die Wahl und die Freiheit
und das Leben und die Liebe. Sie fürchten, was Du mitten unter ihnen lebst und
bist. Du bist die Verkörperung ihrer Furcht. Dessen müssen sie sich entledigen,
um nicht mehr darauf hingewiesen zu werden, auf ihre eigene Gefangenschaft,
ihre eigene Bedeutungslosigkeit. Deshalb trachten sie Dir nach dem Leben, nach
der Seele. Du siehst alle um Dich, die Deinen Weg gingen, des Lebens und der
Seele beraubt. Und in Deiner Not wendest Du Dich an den, der die Erfahrung
ermöglichte und Deine Bedrohung begründete. Und Du antwortest mit Deinen
Verdiensten, die Du erbrachtest, den Bund zu erhalten. Alles, was Du tatest, um
die Verbindung aufrecht zu halten – und doch tatest Du es, um Dein eigenes
Leben, Deine eigene Freiheit zu bewahren, Dein Verbleiben im liebenden,
umfassenden Ummanteltsein. Das Verdienst um den Bund, ist das Verdienst, das Du
der Lebendigkeit Deines eigenen Lebens brachtest, dass Du verbleibest,
lebendig, atmend, liebend.
[1] 1. Kön. 19,10. Aus: Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam
mit Franz Rosenzweig. Gerlingen: Schneider, 1997.
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