2203 FastEndZeit (Teil 33):


Leiblichkeit


Die ganze Zeit über aß er nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger.[1]

Vierzig Tage und vierzig Nächte führte mich diese Stimme, die mich durchdrang, durch die Wüste, führte mich über all die Zeit durch die Abgeschiedenheit, und ich war Öffnung und Ankunftsort für das Wort, das es sprach, unablässig und immerzu, das nirgends sonst so gut vernehmbar ist, wie in der Stille der Wüste, die keinen menschlichen Laut kennt, in der Stille der Abgeschiedenheit und der Offenheit des Raumes. Ich spürte sie in mir, hörte sie und gab es kund, dass ich verstand, was sie mir war und was sie mir ist. Erfüllt war ich bis ins Innerste, so dass die Leere um mich keinen Zugang in mich hatte, so dass ich unbegrenzt wachsen und reifen konnte, wie eine Blume in der Stille der Abgeschiedenheit am besten gedeihen kann, wenn kein Mensch Hand an sie legt, sie nicht verbiegt und nach seinem Willen formt. Achtsamkeit und Verstehen durchfloss mich und machte mich reich und unabhängig. Die Zuflüsterungen, die Ablenkungen der Welt konnten mir nichts mehr anhaben. Ich ward gestärkt, ward erfüllt, und als die Stimme wusste, dass ich stark genug war, da verließ sie mich, erstmals in diesen Tagen, zog sich aus mir zurück, doch das Verlassen war kein absolutes, noch nicht, doch in mir erwachte eine Leere, etwas, das gefüllt werden sollte. Es war der Hunger, doch nicht der Hunger nach irdischer Speise, sondern nach dem Wort, das mich durchflutet. Wer darum weiß, der wird es immer vermissen, wird sich immer leer fühlen, wenn es sich ihm entzieht, doch ich musste für mich herausfinden ob ich standhielte, wenn der Verführer an mich herantrat und mich lockte, mit süßen Speisen. Nichts würden sie füllen als meinen Magen, und doch wusste ich durch meine Schwächung hindurch, dass ich mehr war als Leiblichkeit, so sehr es mich auch in diese zog, so sehr sie auch drohte die Oberhand zu gewinnen, doch ich konnte ihm erhobenen Hauptes entgegentreten, eingedenk dessen, dass es nicht irdische Speise war, nach der ich lechzte, sondern nach dem Durchdrungen sein durch das Wort, das mir Leben war, und das das einzige war, das mir Leben war. Doch er hielt sich nicht damit auf. Er zeigte mir die Pracht und die Vielfalt der Welt, die so betörend und verführerisch wirkte vor meinem Auge, das mich einlud mich darin zu verlieren und umschmeicheln zu lassen, doch ich wusste, dass selbst das Schönste und Prächtigste dieser Welt nur Windhauch war, selbst durch meine Schwächung hindurch, die ward, da sich das Wort des Lebens aus mir zurückgezogen hatte. Nichts hatte Bestand, als dieses Wort. Nichts hatte Wert, als dieses Wort. Und so kehrte ich mich ab von Glitzer und Tand und überließ es dem Verführer seine Schönheiten zu genießen, doch es war nicht mein Genießen, nicht mein Glück. Zuletzt noch. Zuletzt noch forderte er mich auf, das Wort, das mich hütete, selbst herauszufordern, es aufzufordern mir Rettung zu sein, doch auch durch meine Verlassenheit hindurch, die mich bis ins Innerste schwächte, wusste ich, dass ich gehalten ward. Von Ferne, durch meine Vernebelung hindurch ward ich noch immer der Gewissheit gewahr, die von Dir ausging, von allem Anfang an, von Dir, der Du mich selbst als mich selbst berufen hattest, und ich wusste mich abzuwenden von der Versuchung, die sich mir zeigte, und als ich die Versuchung hinter mir gelassen hatte, da kehrte es in mich zurück, das Wort, durchdrang mich aufs Neue, und führte mich aus der Wüste, zurück zu den Menschen, damit ich ihnen voranginge, den Pfad zu weisen, jenen, die das Wort vernahmen und verstanden und mir folgen wollten. Ich ward zu meiner Aufgabe gereift, bereit sie zu erfüllen.


[1] Lk. 4,2b. Aus: Die Bibel in der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg

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