Leiblichkeit
Die ganze Zeit über aß
er nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger.[1]
Vierzig Tage und vierzig Nächte führte mich diese Stimme,
die mich durchdrang, durch die Wüste, führte mich über all die Zeit durch die
Abgeschiedenheit, und ich war Öffnung und Ankunftsort für das Wort, das es
sprach, unablässig und immerzu, das nirgends sonst so gut vernehmbar ist, wie
in der Stille der Wüste, die keinen menschlichen Laut kennt, in der Stille der
Abgeschiedenheit und der Offenheit des Raumes. Ich spürte sie in mir, hörte sie
und gab es kund, dass ich verstand, was sie mir war und was sie mir ist.
Erfüllt war ich bis ins Innerste, so dass die Leere um mich keinen Zugang in
mich hatte, so dass ich unbegrenzt wachsen und reifen konnte, wie eine Blume in
der Stille der Abgeschiedenheit am besten gedeihen kann, wenn kein Mensch Hand
an sie legt, sie nicht verbiegt und nach seinem Willen formt. Achtsamkeit und
Verstehen durchfloss mich und machte mich reich und unabhängig. Die
Zuflüsterungen, die Ablenkungen der Welt konnten mir nichts mehr anhaben. Ich
ward gestärkt, ward erfüllt, und als die Stimme wusste, dass ich stark genug
war, da verließ sie mich, erstmals in diesen Tagen, zog sich aus mir zurück,
doch das Verlassen war kein absolutes, noch nicht, doch in mir erwachte eine
Leere, etwas, das gefüllt werden sollte. Es war der Hunger, doch nicht der
Hunger nach irdischer Speise, sondern nach dem Wort, das mich durchflutet. Wer
darum weiß, der wird es immer vermissen, wird sich immer leer fühlen, wenn es
sich ihm entzieht, doch ich musste für mich herausfinden ob ich standhielte,
wenn der Verführer an mich herantrat und mich lockte, mit süßen Speisen. Nichts
würden sie füllen als meinen Magen, und doch wusste ich durch meine Schwächung
hindurch, dass ich mehr war als Leiblichkeit, so sehr es mich auch in diese
zog, so sehr sie auch drohte die Oberhand zu gewinnen, doch ich konnte ihm
erhobenen Hauptes entgegentreten, eingedenk dessen, dass es nicht irdische
Speise war, nach der ich lechzte, sondern nach dem Durchdrungen sein durch das
Wort, das mir Leben war, und das das einzige war, das mir Leben war. Doch er
hielt sich nicht damit auf. Er zeigte mir die Pracht und die Vielfalt der Welt,
die so betörend und verführerisch wirkte vor meinem Auge, das mich einlud mich
darin zu verlieren und umschmeicheln zu lassen, doch ich wusste, dass selbst
das Schönste und Prächtigste dieser Welt nur Windhauch war, selbst durch meine
Schwächung hindurch, die ward, da sich das Wort des Lebens aus mir
zurückgezogen hatte. Nichts hatte Bestand, als dieses Wort. Nichts hatte Wert,
als dieses Wort. Und so kehrte ich mich ab von Glitzer und Tand und überließ es
dem Verführer seine Schönheiten zu genießen, doch es war nicht mein Genießen,
nicht mein Glück. Zuletzt noch. Zuletzt noch forderte er mich auf, das Wort,
das mich hütete, selbst herauszufordern, es aufzufordern mir Rettung zu sein,
doch auch durch meine Verlassenheit hindurch, die mich bis ins Innerste
schwächte, wusste ich, dass ich gehalten ward. Von Ferne, durch meine
Vernebelung hindurch ward ich noch immer der Gewissheit gewahr, die von Dir
ausging, von allem Anfang an, von Dir, der Du mich selbst als mich selbst
berufen hattest, und ich wusste mich abzuwenden von der Versuchung, die sich
mir zeigte, und als ich die Versuchung hinter mir gelassen hatte, da kehrte es
in mich zurück, das Wort, durchdrang mich aufs Neue, und führte mich aus der
Wüste, zurück zu den Menschen, damit ich ihnen voranginge, den Pfad zu weisen,
jenen, die das Wort vernahmen und verstanden und mir folgen wollten. Ich ward
zu meiner Aufgabe gereift, bereit sie zu erfüllen.
[1] Lk. 4,2b. Aus: Die Bibel in der
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen
Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg
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