2303 FastEndZeit (Teil 34):


Mittelmaß


Danach zog Jesus in Galiläa umher; denn er wollte sich nicht in Judäa aufhalten, weil die Juden darauf aus waren, ihn zu töten.[1]

Wunder hatte er gewirkt. Die Menschen hatten es gesehen. Nicht, dass es für Ihn notwendig gewesen wäre, denn Er wusste um Seine Bestimmung und Seine Herkunft, aber die Menschen sind klein und geduckt, weil sie sich klein und geduckt halten lassen, von der Obrigkeit, die ihnen sagt was sie zu tun haben. Statt selbst zu sehen. Selbst zu hören. Selbst zu verstehen. Sie wagen es nicht mehr ihren eigenen Sinnen zu vertrauen, weil ihnen allzu lange gesagt wurde, dass ihre eigenen Empfindungen nichts taugten. Ja, als Kinder, da waren sie unbekümmert, sahen, hörten und verstanden mit kindlicher Unbekümmertheit und Selbstverständlichkeit, doch dann wurde ihnen gesagt, dass das nicht stimme. Zuerst waren sie verwirrt, stutzen vielleicht, doch die, die das sagten, hatten sich als Autoritäten ausgewiesen. Konnten sie es denn wagen an diesen Autoritäten zu zweifeln? Und vor allem, wenn alle das gleiche sagten, dann musste das doch stimmen, und so begannen sie sich von ihren eigenen Gedanken zu distanzieren, ihren eigenen Empfindungen zu misstrauen, bis sie die Gedanken, die ihnen eingetrichtert wurden für ihre eigenen hielten und die aufoktroyierten Empfindungen für echt. Doch was bleibt vom Menschen, wenn ihm seine Gedanken und Empfindungen genommen werden? Er reiht sich ein in die lange Reihe des Mittelmaßes, gehen den Mittelweg und leben ein Mittelleben. Doch dann kam Er, der ihnen sagte, hört mir zu, doch hört es mit euren eigenen Ohren, und nicht mit dem Filter, der euch eingesetzt wurde. Seht mich an, doch seht mich mit euren eigenen Augen, und nicht mit den Scheuklappen, die euch aufgezwungen wurden. Versteht meine Worte, doch versteht sie mit euren eigenen Gedanken, und nicht mit denen, die euch aufgebürdet wurden. Da war einer, der widersprach, der vor den Kopf stieß, und dieses Gebäude aus Lügen zum Einsturz brachte, der die Wahrheit hinter der Fassade aufdeckte, der die Menschen meinte und nicht die glanzlose Hülle, die der Manipulation anheimgefallen ist. Sie verkünden die Wahrheit und sind doch durch und durch Falschheit. Sie predigen die Tugend und frönen doch den Lastern. Sie versprechen euch Freiheit und nehmen euch in ihre Knechtschaft. Ihr wagt es nicht den Kopf zu heben und zu widersprechen. Zu mächtig sind sie. Ihr fürchtet um euer Auskommen, um Leib und Leben, wenn ihr nicht befolgt, was auch die Obrigkeit sagt, aber Er wagte es. Das Volk wurde hellhörig. Waren wir dafür aus Ägypten geflohen, aus der Knechtschaft, um nun in der Knechtschaft der eigenen Leute zu landen? Doch da war der, der ihnen das Joch abnahm, und sie von falschen Propheten und Lehren befreite. Das machte denen Angst, die sehr gut lebten, von der Unterwürfigkeit der Menschen. Er machte ihnen Angst, weil Er sich nicht klein machen ließ und vor ihnen duckte, sondern ihnen hoch erhobenen Hauptes entgegen trat, ihnen die Stirn bot und hinter die Fassade blickte. Das konnten sie nicht dulden. Und weil die Macht auf ihrer Seite stand, musste er fliehen, denn es war noch nicht die Zeit gekommen zu sterben, doch ein erster Schritt war getan. Die Menschen waren aufgerüttelt. Einige folgten Ihm, auch in die Emigration, folgten Ihm, denn Er war es, der ihnen die Kraft schenkte durchzuhalten, der ihnen die Angst nahm und ihnen zeigte, dass ihre Gedanken und Empfindungen richtig waren, dass sie in der Lage waren aufrecht zu gehen und selbst zu sein. Auch Er hatte sie beim Namen gerufen, zu sich, in ein freies, erfülltes Leben.


[1] Joh. 7,1.  Aus: Die Bibel in der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg

Keine Kommentare: